BILDER in einer pdf-Datei è
HIER abrufbar!
Eine archäologische Sensation:
Die Lage der antiken Pferderennbahn (Hippodrom) von Olympia, auf der u.a. auch
Kaiser Nero zum olympischen Sieg fuhr, ist enträtselt. Diese Erkenntnis gelang
erstmals in einem Mitte Mai 2008 beendeten mehrwöchigen Forschungsprojekt dem
Mainzer Sporthistoriker Professor Norbert Müller, dem Kölner Sportarchäologen
Dr. Christian Wacker und dem Leiter der Ausgrabungen Deutschen Archäologischen
Instituts (DAI) in Olympia, PD Dr. Reinhard Senff.
Das Hippodrom war bislang
nur durch Schriftquellen bekannt, archäologisch ließ es sich nie nachweisen.
Dies ist überraschend, da deutsche Ausgräber seit 1875 den Ort der antiken
Olympischen Spiele als eine ihrer traditionsreichsten Unternehmungen
kontinuierlich erforschen und zahllose Archäologen, Alt- und Sporthistoriker
aus der ganzen Welt sich seit über 100 Jahren mit diesem Geheimnis beschäftigt
haben.
Sehr detailreich beschreibt
der antike Reiseschriftsteller Pausanias im 2. Jh. n. Chr. die Pferderennbahn,
deren Startmechanismen, Wendemale und Altäre. Eine bisher wenig beachtete
Schriftquelle aus dem 11. Jahrhundert n. Chr. nennt sogar Maße und Dimensionen
der Anlage.
Bislang ging man davon aus,
dass sich keine Überreste des Hippodrom mehr finden würden, da das von
Pausanias beschriebene Areal im Osten des Heiligtums von Olympia durch den
Fluss Alpheios seit der Antike überschwemmt und versandet wurde. In modernen
Plänen und Beschreibungen steht meist lapidar zu lesen: „Keine Reste vom
Hippodrom aufgrund mittelalterlicher Überschwemmungen“.
Das reizte die deutschen
Forscher umso mehr: Mit modernen geophysikalischen Methoden wurde erstmals das
Gelände systematisch abgesucht, wobei die auf Geo-magnet- und Georadarmessungen
spezialisten Experten Armin Grubert (Mainz) und Christian Hübner (Freiburg)
zahlreiche Veränderungen im Boden (z.B.: Wasserläufe, Gräben, Mauern) kartieren
konnten.
Tatsächlich wurden
auffällige geradlinige Strukturen auf einer Länge von fast 200 Metern entdeckt,
welche die Forscher mit der parallel zum Stadion gelegenen Pferderennbahn
verbinden. Bauliche Überreste, die mit einem beim Hippodrom überlieferten
Heiligtum der Demeter gleichgesetzt werden können, waren bereits im Norden des
untersuchten Geländes im Frühjahr 2007 aufgedeckt worden.
Besonders interessant ist
auf halber Höhe des nördlichen Zugangs zur Startanlage – dort wo Pausanias das
Hippodrom betrat –eine kreisförmige Anlage mit etwa 10 Metern Durchmesser, die
sich deutlich in der antiken Bodenschicht abzeichnet und vielleicht auf
Sakralbauten, die der antike Schriftsteller an dieser Stelle erwähnt, zu
beziehen ist.
Die eigentliche Startanlage
mit Boxen für bis zu 24 Pferdegespanne dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit
unter einem von den Archäologen seit 1875 angelegten gewaltigen Hügel von Erdaushub
des Tempelbezirks liegen.
Mit der Erforschung des
Geländes östlich des Heiligtums von Olympia, möglich gemacht durch
Forschungsmittel des Sportinstituts der Universität Mainz und des
Internationalen Reiterverbandes, konnten erstmals konkrete Hinweise auf die
Lage der Pferderennbahn und ihre geographische Ausdehnung gewonnen werden. Zehn
Studierende waren dabei mit dem auf Olympia spezialisierten Sporthistoriker
Professor Norbert Müller im Einsatz. Das
DAI mit seiner Außenstelle in Athen hat durch seine Mitwirkung der
Sporthistorie einen großen Dienst erwiesen. Das Projekt könnte ähnlich der
Ausgrabung des antiken Stadions von Olympia vor 50 Jahren eine neue Attraktion
für die Sportwelt werden.
Das Areal östlich des
Heiligtums von Olympia war bislang nie Gegenstand archäologischer
Untersuchungen, obwohl sich dort den antiken Schriftquellen zu Folge das
flächenmäßig größte Bauwerk zur Durchführung der Wettkämpfe befunden haben
muss. Das Hippodrom lag nach Pausanias im Süden des erforschten und
rekonstruierten Stadion etliche Meter unter dem heutigen Niveau. Nur dort
zwischen den angrenzenden Hügeln jenseits einer Straße nach Arkadien im Norden
und dem Flussbett des heute begradigten Alpheios im Süden sind die
geographischen Voraussetzung gegeben, die Pferderennbahn mit einer Länge von
über einem Kilometer aufzunehmen.
Dennoch sind die
geologischen und geographischen Voraussetzungen keine guten, da zum einen
intensive landschaftliche Nutzung die historische Geographie stark veränderte,
zum anderen der Alpheios über die Jahrhunderte hinweg sein Flussbett mehrmals
verschob und mäandrierend durch die Ebene zog. Die Landschaft wurde in diesem
Gebiet derart verändert, dass das antike Aussehen kaum mehr rekonstruiert
werden kann. Heute ist bekannt, dass das Niveau des Flusses im Mittelalter etwa
9 Meter über dem antiken lag, bis heute aber 7 Meter abgetragen und
weggeschwemmt wurden. Somit befinden sich antike Überreste im Osten des
Heiligtums ca. 2 Meter unter dem heutigen Niveau.
In dieser Ebene befand sich
die Pferderennbahn, deren Aussehen von Pausanias (Buch VI 20.10-15) ausführlich
beschrieben wird. Demnach wurden die Gespanne schiffsbugförmig in
Startvorrichtungen vor einer Halle aufgestellt, als Startsignal hob und senkte
sich ein bronzener Adler mittels eines Hebemechanismus, eine Delphinfigur
bewegte sich vor den Wagenlenkern. Die Zuschauer fanden an einem Wall im Süden
und an den angrenzenden Hügeln im Norden Platz, eine gemauerte Tribüne ähnlich
der großen Circusanlagen in Rom oder Karthago scheint es nicht gegeben zu
haben.
Die Beschreibung des
Pausanias führte zu verschiedenen Rekonstruktionen, wobei die Rennbahn meist in
doppelter Breite der Startanlage wiedergegeben wurde. Erst die korrekte Interpretation
einer mittelalterlichen Handschrift aus dem 11. Jahrhundert durch J. Ebert
(1989) schuf Klarheit über Aussehen und Dimension des Hippodrom. Dieser war
umgerechnet 1052 Meter lang und 64 Meter breit zuzüglich der Wälle für die
Zuschauer. Die Startanlage entsprach der Breite der Rennbahn.
Mit modernen,
geomagnetischen Methoden erkundete ein Team deutscher Wissenschaftler im
April/Mai 2008 die zugänglichen Terrains in der beschriebenen Ebene. Zwei
unterschiedliche physikalische Methoden fanden dabei Anwendung. Die
geomagnetische Kartierung archäologischer Strukturen beruht auf der genauen und
hoch auflösenden Erfassung kleinräumiger magnetischer Anomalien, die diese im
Erdmagnetfeld erzeugen. Im allgemeinen werden solche Anomalien von Fundamenten,
großen Steinobjekten oder Brandschichten erzeugt. Kombiniert wurde dieses
Messverfahren mit Geo- bzw. Bodenradar, einem elektromagnetischen
Impulsverfahren, das kurze Impulse von wenigen Nanosekunden in den Untergrund
abstrahlt und nach Reflexion etwa an einer Schichtgrenze oder einem Objekt
zurücksendet. Mit der Kombination beider Verfahren ist es möglich, sog.
Anomalien festzustellen und selbst deren Tiefenlage in der Erde zu bestimmen.
Somit können auch Wahrscheinlichkeiten hinsichtlich der Schichtzugehörigkeit
(modern, mittelalterlich, antik) angegeben werden.
Mit der geomagnetischen
Kartierung wurden 10,5 ha Gelände durchkämmt, mit dem Bodenradar 3,6 ha. Nicht
immer gelang es, durch die dicken Packungen feinen Sandes in die Tiefe zu
dringen, auch störten die Spuren jahrzehntelangen Ackerbaus die Ergebnisse, da
Zäune, Leitungstrassen und Betongüsse die Ergebnisse verfälschen können.
Dennoch ließen sich eine
Reihe aussagekräftiger Details beobachten. Intensiv bebaut oder überbaut war
das Gelände wohl nie. Unzählige Rinnen, die sich bis in die nördlichen Bereiche
ausdehnen, definierten Terrassenkanten oder Wasserrückläufe rezenten Datums.
Der Fluss Alpheios hatte also tatsächlich die gesamte Ebene bis zur Hangkante
immer wieder überflutete. Da sich das antike Niveau allerdings ca. 2 Meter
unter dem heutigen befand, ist dieses zumindest partiell verschont geblieben.
So konnten auch parallel angelegte Anomalien (Gräben, Mauern oder Wälle) auf
einer Länge von nahezu 200 Metern beobachtet werden, die sehr deutlich mit dem
antiken Hippodrom in Verbindung gebracht werden können. Dieses liegt somit
parallel zum Stadion und endet an einer markanten Kurve der modernen Straße am
östlichen Wendmal. Etwa auf halber Höhe des nördlichen Zugangs zur Startanlage
– dort wo Pausanias das Hippodrom betrat – kann eine kreisförmige Steinsetzung
(?) in der der Antike zugewiesenen Schicht mit ca. 10 Metern Durchmessern
beobachtet werden (mit X markiert). Im Norden des Hippodroms nahe der Straße
konnten Überreste kartiert werden, die mit großer Wahrscheinlichkeit Gebäuden
auf einer Terrasse zugeordnet werden können. Da in unmittelbarer Nähe nach
griechischen Ausgrabungen unter der modernen Straße Hinweise auf ein Heiligtum
der Demeter entdeckt wurden, möchte man in diesem Gebiet das bei Pausanias
beschriebene Demeterheiligtum vermuten.
Es kann festgehalten werden,
dass mit moderner geomagnetischer Untersuchung und ohne Ausgrabungen im Osten
des Heiligtums von Olympia erstmals klare Hinweise für die Lokalisierung des
Hippodroms gefunden wurden. Damit rückt die archäologische und sporthistorische
Forschung der Lösung eines der letzten großen Rätsel Olympias ein Stück näher.
Quellen
Pausanias
VI 20.10-14:
„Steigt
man aus dem Stadion hinüber, dort, wo die Hellanodiken sitzen, so ist dort der
Platz, der für die Pferderennen bestimmt ist, und der Ablauf der Pferde. Der
Ablauf hat die Form eines Schiffsbugs, und sein Sporn ist gegen die Rennbahn
gerichtet. Wo der Bug an die Agnaptoshalle stößt, wird er breit. Ein Delphin
aus Bronze ist auf einer Stange ganz an der Spitze des Sporns angebracht. (11)
Jede Seite des Ablaufs hat mehr als vierhundert Fuß Länge, und in ihnen sind
Gelasse eingebaut. Um diese Gelasse losen die, die zum Wettkampf der Pferde
antreten. Vor den Wagen oder den Reitpferden ist ein Tau als Startschranke
gespannt. Ein Altar aus ungebrannten Ziegeln, außen verputzt, wird zu jeder
Olympiade in der Mitte des Bugs errichtet. (12) Auf dem Altar steht ein
bronzener Adler, die Flügel ganz weit ausgebreitet. Der Rennleiter kann nun die
Einrichtung in dem Altar bewegen. Wenn sie bewegt wird, fliegt der Adler in die
Höhe, so daß er den Zuschauern sichtbar wird, und der Delphin fällt zu Boden.
(13) Zuerst senken sich nun die Seile zu beiden Seiten an der Agnaptoshalle,
und die hinter diesen stehenden Pferde laufen zuerst ab. Im Lauf kommen sie auf
die Höhe derer, die am zweiten Platz zu stehen gelost haben, und nun senken
sich die Startseile am zweiten Platz, und so geht es in derselben Weise bei
allen Pferden, bis sie sich am Sporn des Bugs miteinander in einer Reihe
befinden. Von da an beginnt nun die Schaustellung der Kunst der Lenker und der
Schnelligkeit der Pferde. (14) Kleoitas ist es, der zuerst die Starteinrichtung
ersonnen hat, und er war auf seine Erfindung so stolz, daß er auch eine
Inschrift auf seine Statue in Athen setzte: «Der den Pferdeablauf in Olympia
zuerst erfand, Kleoitas machte mich, Aristokles’ Sohn.»Nach Kleoitas soll auch
ein Aristeides eine Erfindung an der Einrichtung angebracht haben. (15) An der
Pferderennbahn dehnt sich die eine Seite länger aus, und an dieser längeren
Seite, die aus einem Erdwall besteht, befindet sich an dem Durchgang durch den
Wall der Pferdeschreck Taraxippos.
Tabula Heroniana II, Fol. 27f. (11. Jahrhundert n. Chr.)
Das
olympische Kampfspiel verfügt über eine Pferderennbahn, die (eine
Längsausdehnung von) 8 Stadien hat. Davon umfasst je eine Längsseite 3 Stadien
und 1 Plethron, die breite Fläche aber bis zur Ablaufstelle 1 Stadion und 4
Plethra, (insgesamt) 4800 Fuß. In der Nähe des Taraxippos, hinter dem sich –
wie man sagt – ein Heros verbirgt, <biegen die Pferde im Lauf um eine
Wendesäule; bei der Bildsäule der Hippodameia aber befindet sich der Zielpunkt
der Rennen. Bei den Reitpferden> laufen die in der Altersklasse der Fohlen 6
Stadien, die in der Altersklasse der ausgewachsenen Pferde 12; bei den
Zweigespannen die im Fohlenalter 3 Umläufe, die ausgewachsenen 8; bei den
Viergespannen die im Fohlenalter 8 Umläufe, die ausgewachsenen 12 Umläufe.