Prof. Dr. Michael Heidelberger (Berlin)
Wie das Leib-Seele-Problem in die analytische
Philosophie kam
Dienstag, 18. April 2000, 18.15 Uhr
Hörsaal N 3 (Muschel)
Mit der interdisziplinären Debatte zwischen Neurophysiologen und kognitiven Psychologen auf der einen und Philosophen auf der anderen Seite steht es, wenigstens in Deutschland, nicht zum Besten. In Anbetracht dieser Situation erscheint es angebracht, sich erst einmal eine historische Übersicht über die Ziele der Philosophen und der empirischen Wissenschaftler in der Leib-Seele-Debatte zu verschaffen, bevor man in einer Ringvorlesung die gegenwärtige Hirnforschung zu Worte kommen läßt. Für die Verbesserung des Verhältnisses ist es auch wichtig zu verstehen, warum sich die Leib-Seele-Debatte nach dem Zweiten Weltkrieg ausgerechnet an einem Essay von Herbert Feigl und Artikeln zweier Australier in den späten 1950er Jahren entzündete und seitdem das Interesse am Leib-Seele-Problem in der analytischen Philosophie einen so drastischen Aufschwung genommen hat.
Um diese beiden Fragen zu beantworten, muß man auf den "Psychophysischen Parallelismus" und die um ihn geführten Kontroversen seit dem 19. Jahrhundert zurückgehen. Diese bis zum Zweiten Weltkrieg (wenigstens unter Physiologen und Psychologen) vorherrschende Position erlaubte Philosophen und empirischen Wissenschaftlern eine einigermaßen friedliche Koexistenz. Im Vortrag werden zuerst drei Grundformen des Psychophysischen Parallelismus unterschieden. Anschließend wird die Diskussion in der Leib-Seele-Theorie und um den Psychophysischen Parallelismus von ca. 1860 – mit Gustav Theodor Fechner – bis ca. 1924 – als der junge Herbert Feigl nach Wien kam – behandelt. Im nächsten Abschnitt wird der Zusammenhang dieser Tradition mit den Positionen von Rudolf Carnap und Moritz Schlick untersucht. Im Schlußteil wird gezeigt, daß zwischenzeitlich aufgetretene interne Veränderungen in der Philosophie des Logischen Empirismus es Herbert Feigl erlaubten, mit seiner "Identity Theory" wieder zu einer Variante des Psychophysischen Parallelismus zurückzukehren.
Prof. Dr. Michael Heidelberger, geb. 1947, ist Professor für Philosophie der Naturwissenschaften und Naturphilosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor lehrte er an den Universitäten München, Bielefeld, Berlin (FU), Göttingen und Freiburg. Er war als Gastprofessor in Ulm und Genf und kürzlich für sieben Monate als fellow am Center for Philosophy of Science der University of Pittsburgh, USA. Sein Hauptinteressengebiet ist die Geschichte der Wissenschaftsphilosophie, zu der er im Juli 2000, zusammen mit Friedrich Stadler, einen Kongreß an der Universität Wien veranstalten wird. Zum Thema vergleiche man sein Buch: Die innere Seite der Natur: Gustav Theodor Fechners wissenschaftlich-philosophische Weltauffassung, Frankfurt am Main: Klostermann 1993.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Das Gehirn des Menschen.
Funktionelle, neuroanatomische Aspekte
Prof. Dr. Eckhart Stofft (Mainz)
Dienstag, 2. Mai, 18.15 Uhr, Hörsaal
N 3 (Muschel)
Fragen zu den Veranstaltungen an das Sekretariat | |
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Prof. Dr. Michael Heidelberger (Berlin)
Wie das Leib-Seele-Problem in die Analytische Philosophie kam
Bei aller Bemühung, die jeweils andere
Seite zu verstehen, steht es doch mit der interdisziplinären Debatte
zwischen Neurophysiologen und kognitiven Psychologen auf der einen und
Philosophen auf der anderen Seite, wenigstens in Deutschland, nicht zum
Besten. (Erst kürzlich kamen diese Spannungen in Information Philosophie
wieder zum Vorschein.) In Anbetracht dieser Situation erscheint es angebracht,
sich erst einmal eine historische Übersicht über die Ziele der
Philosophen und der empirischen Wissenschaftler in der Leib-Seele-Debatte
zu verschaffen, bevor man in einer Ringvorlesung die gegenwärtige
Hirnforschung zu Worte kommen lässt. Für die Verbesserung des
Verhältnisses ist es auch wichtig zu verstehen, warum sich die Leib-Seele-Debatte
nach dem Zweiten Weltkrieg ausgerechnet an einem Essay von Herbert Feigl
und Artikeln zweier Australier in den späten 1950er Jahren entzündete
und seitdem das Interesse am Leib-Seele-Problem in der analytischen Philosophie
einen so drastischen Aufschwung genommen hat.
Um diese beiden Fragen zu beantworten,
muss man auf den "Psychophysischen Parallelismus" und die um ihn geführten
Kontroversen seit dem 19. Jahrhundert zurückgehen. Diese bis zum Zweiten
Weltkrieg (wenigstens unter Physiologen und Psychologen) vorherrschende
Position erlaubte Philosophen und empirischen Wissenschaftlern eine einigermaßen
friedliche Koexistenz. Im Vortrag werden zuerst drei Grundformen des Psychophysischen
Parallelismus unterschieden. Anschließend wird die Diskussion in
der Leib-Seele-Theorie und um den Psychophysischen Parallelismus von ca.
1860 mit Gustav Theodor Fechner bis ca. 1924 behandelt, als der junge Herbert
Feigl nach Wien kam. Im nächsten Abschnitt wird der Zusammenhang dieser
Tradition mit den Positionen von Rudolf Carnap und Moritz Schlick untersucht.
Im Schlussteil wird gezeigt, dass zwischenzeitlich aufgetretene interne
Veränderungen in der Philosophie des Logischen Empirismus es Herbert
Feigl erlaubten, mit seiner "Identity Theory" wieder zu einer Variante
des Psychophysischen Parallelismus zurückzukehren.
Prof. Dr. Michael Heidelberger, geb. 1947,
ist Professor für Philosophie der Naturwissenschaften und Naturphilosophie
an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor lehrte er an den Universitäten
München, Bielefeld, Berlin (FU), Göttingen und Freiburg. Er war
als Gastprofessor in Ulm und Genf und kürzlich für sieben Monate
als fellow am Center for Philosophy of Science der University of Pittsburgh,
USA. Sein Hauptinteressengebiet ist die Geschichte der Wissenschaftsphilosophie,
zu der er im Juli 2000, zusammen mit Friedrich Stadler, einen Kongress
an der Universität Wien veranstalten wird. Zum Thema vergleiche man
sein Buch: Die innere Seite der Natur: Gustav Theodor Fechners wissenschaftlich-philosophische
Weltauffassung, Frankfurt am Main: Klostermann 1993.