MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE
 
Im Rahmen des Themenschwerpunktes

Globalisierung und die Kulturen der Welt

lädt das Studium generale zu folgender Veranstaltung ein:
 
Prof. Dr. Dawud Gholamasad
(Hannover)

Islamismus als chiliastisch
geprägter Nativismus

Mittwoch, 19. Juni 2002, 17.15 Uhr
Hörsaal N 3 (Muschel)

In der Regel wird der Islamismus als eine Ideologie derjenigen begriffen, die den Islam missbrauchen, im Unterschied zum »Islam« als der wahren Religion der sonst friedliebenden Muslime. In einer kritischen Auseinandersetzung mit dieser unangemessenen Unterscheidung, die einen rationalen Kalkül bei
Islamisten unterstellt, wird der Vortrag die Entstehung des Islamismus als Umschlag der kollektiven Aufbruchsbereitschaft der islamisch geprägten Menschen zur Herstellung der Gerechtigkeit auf Erden in einen Aktivismus der nativistisch orientierten Muslime diskutieren, die ihren eigenen Selbstwert demonstrativ
hervorheben und die praktische Veränderung der bestehenden Macht- und Statusverhältnisse anstreben. Mit der Darstellung der Sozio- und Psychogenese des Islamismus soll erklärt werden, warum die chiliastischen Aktivisten nicht mehr auf den Erlöser warten können und worin die Funktion der Selbstmordattentate der militanten Islamisten liegen.
Diese Probleme sind jedoch nicht klärbar, solange man den zentralen Aspekt der zunehmenden Globalisierung vernachlässigt, den ich als Entstehungs- und Wirkungszusammenhang einer Beziehungsfalle von kulturell unterschiedlich geprägten Menschen als Etablierten und Außenseitern bezeichne. Und zwar jene Beziehungsfalle, die durch die Globalisierung der Bindungen der Menschen entsteht, durch die sie nicht nur beruflich, sondern auch staatlich zunehmend interdependent werden. Diese zunehmende gegenseitige Angewiesenheit und Abhängigkeit der Menschen drückt sich nicht zuletzt in Manifestationen der Eskalation ihrer nicht mehr übersehbaren existentiellen Ängste voreinander aus. So fühlen sie sich gegenseitig in ihrer physischen und sozialen Existenz bedroht. Folglich prägen sie sich gegenseitig in ihrer globalisierten Kultur des Misstrauens und tragen so in ihrem sozialen Auf- und Abstiegsprozess zu einem Teufelskreis der gegenseitigen Bedrohung bei.

Prof. Dr. Dawud Gholamasad lehrt am Institut für Soziologie der Universität Hannover Politische Soziologie und Entwicklungssoziologie.

Veröffentlichung zum Thema:

Nächste Veranstaltung in dieser Reihe:
PD Dr. Roland Spiller (Erlangen)
Globalisierung und Literatur – Buchmarkt und unabhängige Verlage in Argentinien
Mittwoch, 26. Juni 2002, 17.15 Uhr, N 3 (Muschel)
 
 
 
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