Themenschwerpunkt
Das Herz: Organ des Körpers - Sitz der Seele
Dr. Martina Haag
Mainz/Winnweiler
Herz-Jesu-Verehrung
Montag, 7. Juli 2003, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)
Sei es in einer Kirche oder auf dem
Flohmarkt: Wer kennt sie nicht, die süßlichen Gipsstatuen eines zarten
Jesus, der den Betrachter auf das flammend rote Herz auf seiner Brust verweist?
Doch die wenigsten ahnen oder wissen gar, welche Bedeutung der Herz-Jesu-Verehrung
nicht nur in der Frömmigkeit, sondern auch in kirchlich-politischem Zusammenhang
vor gut hundert Jahren zukam: Eine innige, aus der Mystik stammende Frömmigkeitsform,
die im 17. Jahrhundert wichtige neue Impulse erhält, wird im 19. Jahrhunderts
zunehmend zu einem kirchenpolitischen Propagandainstrument, das die Katholiken
unter der Leitung des Papstes zusammenschweißen soll gegen die zunehmend
entkirchlichte Welt. Doch dieses Konzept gegen die moderne Welt scheitert, was
auch Rückwirkungen auf die Frömmigkeit hat: Ihr schleichender Untergang
wird eingeläutet, nach und nach gießt sich das Jesusbild der Gläubigen
in andere Formen. Heute erscheint die Herz-Jesu-Verehrung als Überbleibsel
des 19. Jahrhunderts.
Welchen Beitrag kann ein Blick auf diese Frömmigkeit zur Frage nach dem
Herzen leisten? Zum einen ist in der Frage, was denn bei der Herz-Jesu-Verehrung
genau verehrt wird, immer auch die Frage eingeschlossen, was denn das menschliche
Herz ist. Andererseits war der Kult nie unumstritten, und gerade in den Dissonanzen
wird das jeweilige Verständnis des Herzens (Jesu) deutlich. So können
zeitgenössisch verschiedene Meinungen aufeinanderprallen oder auch verschiedene
Vorstellungen im Laufe der Zeit einander ablösen.
Weiterhin kann man nach dem Grund für den Rückgang dieser Frömmigkeitsform
fragen. Liegt dieser im kirchlich-religiösen Bereich, weil das Thema "Herz
Jesu" im 19. Jahrhundert mit kirchenpolitischen, sozusagen sekundären
Aspekten angereichert wurde und dies nicht ohne Rückwirkung auf das Verständnis
des Herzens blieb? Oder ist es umgekehrt, hat sich das zunächst nichtreligiöse
Vorverständnis vom menschlichen Herzen so verändert, dass die Frömmigkeit
unplausibel wurde?
Nach einer Skizze der Herz-Jesu-Verehrung möchte der Vortrag kritische
Punkte in der Entwicklung der letzten Jahrhunderte herausgreifen, um so das
Herz im Spiegel der Herz-Jesu-Verehrung zu zeigen. Dabei soll auch überlegt
werden, ob und wie heute vor diesem Hintergrund verantwortet und sinnvoll vom
Herzen Jesu gesprochen werden kann. Hat diese Spiritualität eine Zukunft
oder ist sie ein Relikt vergangener Zeiten?
Dr. Martina Haag (geb. 1969) studierte in Mainz katholische Theologie, Geschichte
und Germanistik. Nach dem Ersten Staatsexamen war sie von 1996 bis 1999 Stipendiatin
des Mainzer DFG-Graduiertenkollegs "Kirchenlied und geistliches Lied interdisziplinär"
und wurde 2001 mit einer Arbeit zum deutschsprachigen Herz-Jesu-Lied des 19.
und 20. Jahrhunderts als frömmigkeitsgeschichtlicher Quelle promoviert.
Im gleichen Jahr legte sie die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt
an Gymnasien ab und ist heute im Schuldienst an einer Berufsbildenden Schule
tätig.
Nächster Vortrag dieser Reihe:
Francis Robiscek M.D., Ph.D. (Charlotte, NC, USA)
Black as Obsidian, Red as Blood: Ritual Human Sacrifice in Mesoamerica
Montag, 14. Juli 2003, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)
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