Themenschwerpunkt


Das Herz: Organ des Körpers - Sitz der Seele

 

Prof. Dr. Konrad Löffelholz (Mainz)


Belladonna, Digitalis und andere Giftpflanzen:
Eine botanische Pharmakologie des Herzens

Montag, 2. Juni 2003, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

Bis in das frühe 19. Jahrhundert war die Pharmakologie "botanischer" Natur. Die erfahrungs-medizinische Entdeckung der heilenden oder giftigen Pflanzenwirkungen ist reich an spannenden und amüsanten Geschichten. Die großen dunklen Pupillen verschaffte sich die schöne Frau durch Atropa belladonna (Tollkirsche); zu viel davon genommen, machte sie "toll".
Unser heutiges Wissen über die Funktion des Herzens wurde entscheidend durch Experimente an isolierten Herzen von Versuchstieren gewonnen, da die rhythmischen Erregungen im Herzen selbst entstehen, so daß das Herz auch außerhalb des Körpers weiterschlägt, wenn es mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. So ist schon lange bekannt, daß die Extrakte aus Fingerhut (Digitalis), Maiglöckchen, Oleander und Meerzwiebel die Herzkontraktionen verstärken (positiv inotrope Wirkung) und daß die Extrakte aus Tollkirsche, Stechapfel, Bilsenkraut und Engelstrompete die Herzen schneller schlagen lassen (positiv chronotrope Wirkung). Dem so gefürchteten Verschluß der Herzkranzgefäße kann man mit einer kleinen täglichen Dosis Acetylsalicylsäure vorbeugen; Salicylsäure wurde ursprünglich aus der Weidenrinde (Salix alba) extrahiert.
Daß die Herzfunktion durch einen natürlichen eigenen Schrittmacher angeregt wird, kann nicht erklären, daß wir die Gefühle in das Herz und nicht dorthin lokalisieren, wo sie entstehen: in das Gehirn. Es ist vielmehr die nervale Verbindung von Psyche und Soma, von Gehirn und Herz, die unsere Gefühle - Freude, Zorn, Angst - am Herzen spürbar macht. Das Nervensystem, das "die Herzen höher schlagen läßt", heißt zutreffend "Sympathisches Nervensystem" und jenes, das im Erschrecken "das Herz stehen läßt", ist das "Parasympathische Nervensystem". Beide Systeme entspringen im Gehirn. Daher gehören zur "botanischen Pharmakologie des Herzens" auch psychoaktive Substanzen, wie Coffein (in Kaffeebohnen und Teeblättern), die indirekt positiv chronotrop wirken. Wer zu viel Kaffee trinkt, dem klopft das Herz. Schon Paracelsus (1493-1541) wußte, daß die heilenden und giftigen Wirkungen nahe beieinander liegen: "Was ist das nit gifft ist? Alle ding sind gifft und nichts ohn gifft. Allein die dosis macht, das ein ding kein gift ist" .

Konrad Löffelholz (geb. 1937) Studium der Medizin in Marburg und Mainz, Ausbildung zum Facharzt für Pharmakologie. Habilitation für Pharmakologie und Toxikologie. Gastprofessuren an der University of Connecticut und an der Universität Florenz. Universitätsprofessor am Pharmakologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität. Wissenschaftliches Forschungsgebiet: Neurowissenschaft, speziell des Herzens und des Zentralnervensystems (cholinerge Mechanismen und Gedächtnis). In den 80er Jahren Mitglied der Arzneimittelkommission am Bundesgesundheitsamt. Mitglied der International Alzheimer Study Group.

Nächster Vortrag dieser Reihe:
Dr. Tilman Spreckelsen (Frankfurt/M.):
Marmor, Stein und Wackelpudding: Das Herz in der Literatur
Montag, 23. Juni 2003, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

 

 

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