Der
Interdisziplinäre Arbeitskreis für Drama und Theater
und das Studium
generale
laden
im Rahmen der Ringvorlesung
zu
folgendem Vortrag ein:
(Seminar für Klassische
Philologie, Universität Mainz)
Grillparzer und die
Griechen
Montag, 21. Juni 2004,
18.15 Uhr, P 5 (Philosophicum)
Franz Grillparzer (1791–1872), mit seinem Trauerspiel »Die
Ahnfrau« (1817) zu frühem Ruhm gelangt, wandte sich nach diesem Schicksalsdrama,
das den Menschen einem unausweichlichen Verhängnis ausgesetzt sah, drei antiken
Stoffen zu, der Sappho-Legende (»Sappho«,
1818), dem Medea-Mythos (»Das Goldene Vließ«,
Trilogie, 1820) und nach längerer Pause der Legende von Hero und Leander (»Des
Meeres und der Liebe Wellen«, 1831), in der Absicht, sich der von ihm bewunderten
Weimarer Klassik zu nähern. Doch Grillparzers Griechen entsprechen nicht den
Idealen der Humanität, und seine tragischen Heldinnen geraten nicht wie dort im
Streben, ihr Wesen und ihre sittlichen Maßstäbe zu wahren, in einen tödlichen
Konflikt zu ihrer Welt, sondern aufgrund einer existentiellen Selbsttäuschung
in einen Widerspruch zu sich selbst, den sie auch mit der eigenen Katastrophe
nicht überwinden können. Während Senecas Medea
erkannte, dass sie erst durch die blutige Rache an Jason ganz sie selbst wird
(»Medea nunc sum«, v. 910), klagt Grillparzers Medea,
dass sie im Kampf um Jasons Liebe sich selbst verloren hat (»Ja, wär' ich noch Medea, doch ich bin's nicht mehr«, Medea v.
1861). Das Erlebnis der Selbsttäuschung und Selbstentfremdung, das in die
Katastrophe oder den resignativen Rückzug von der
Welt (»Libussa«, 1848) führen muss, eine Leit-Erfahrung der tragischen Personen Grillparzers,
bereitete tragischen Konzeptionen des späteren 19. Jahrhunderts den Boden
und nahm Existenzerfahrungen der Moderne vorweg.
Jürgen Blänsdorf ist Professor für
Klassische Philologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz seit 1971.
Literatur zum Thema: Gerhard Baumann, Franz Grillparzer, Freiburg 1966. – Gerhard
Neumann, Franz Grillparzer, Freiburg 1994.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Dr. Michaela Peters (Romanisches Seminar,
Universität Münster)
Das
romantische Drama zwischen Religion und Rebellion
Montag, 5. Juli 2004, 18.15 Uhr, P 5 (Philosophicum)