Studium generale

Mainzer Universitätsgespräche

Was wir nur glauben können.

Über die Grenzen von Wissen und Wissenschaft

 

 

Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Dürr

München

 

Was können wir wirklich wissen?

Naturwissenschaftliche Erkenntnis und Wirklichkeit leben

 

Mittwoch, 28. April 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

 

Unsere Erfahrung der Wirklichkeit ist viel reicher als die durch Naturwissenschaft erkennbare Realität. Die spezielle Art unserer Wahrnehmung und vor allem deren bewußte Verarbeitung durch unser analytisches, fragmentierendes Denken bewirkt nicht nur eine Auswahl und Beschränkung, sondern auch eine wesentliche Qualitäts­änderung in Bezug auf das, was wir im Hintergrund als allgemeine Wirklichkeit, als das Sein, vermuten. Die wissenschaftlich beschreibbare Realität kann und darf deshalb nicht mit dieser allgemeineren Wirklichkeit gleichgesetzt werden mit der Konsequenz, daß diese als übergeordnete Struktur nicht mehr mit den Vorstellungen der begreif­baren Realität faßbar, wenngleich, aufgrund unserer Einbettung in die Wirklichkeit, wohl noch unmittelbar erfahrbar ist. Die moderne Physik (Quantenphysik) gibt überzeugende Hinweise, daß es prinzipielle Grenzen für Wissen gibt, die nicht nur Grenz­linien zu einem Noch-nicht-Wissen markieren. Materie ist nicht aus Materie aufgebaut, sondern ist im Grunde ganzheitliche Gestalt, reine Verbundenheit, nicht-auftrennbare Potentialität. Es gibt für die zeitliche Entwicklung keine determinierten Gesetzmäßig­keiten, sondern nur gewichtete Möglichkeiten der Realisierung. Die holistische Grund­struktur der Wirklichkeit erscheint in statistischer Vergröberung als eine dingliche, in materielle Bausteine zerlegbare Realität. Bei starken Korrelationen können sich jedoch Ordnungsstrukturen herausbilden, welche die statistische Ausmittelung verhindern und die Basis für eine Erklärung des Lebendigen liefern. 

 

Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Dürr ist em. Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik (Werner-Heisenberg-Institut) München. Forschungsgebiete: Kernphysik, Elementarteilchenphysik, Gravitation und Erkenntnistheorie (mehr als 100 Veröffentlichungen). Allgemeine Arbeits­gebiete: Gesellschaftspolitische Fragen über Verantwortung des Wissenschaftlers, Abrüstung und Friedenssicherung, Energie, Ökologie und Ökonomie, Entwicklung und Gerechtigkeit (mehr als 200 Veröffentlichungen). Er ist Träger zahlreicher Auszeichnungen und Mitglied vieler internationaler Wissenschaftsvereinigungen.

 

Nächste Veranstaltung dieser Reihe:

Prof. Dr. Thomas Metzinger (Mainz) – Prof. Dr. Andreas Cesana (Mainz)

Philosophie und die Grenzen von Wissen und Wissenschaft – Podiumsgespräch Moderation: Dr. Günter Eifler (Mainz)

Mittwoch, 12. Mai 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)