Studium generale

Mainzer Universitätsgespräche

Was wir nur glauben können.

Über die Grenzen von Wissen und Wissenschaft

 

 

Prof. Dr. Klaus-M. Kodalle

Jena

 

Funktionen der Religion?

Ein Plädoyer für die Nutzlosigkeit des Glaubens

 

Mittwoch, 16. Juni 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

 

Wozu ist die Religion „gut“? Wozu ist sie nütze? Braucht der Mensch Religion? Gibt es ein zutiefst religiöses Bedürfnis nach Transzendenz? Benötigt der Mensch nicht in allen Grenzsituationen seines Lebens – Schmerz und Scheitern, Krankheiten und Tod – den Zuspruch der Religion? Wenn alles in der rasant sich verändernden Welt immer unsicherer wird, – bedarf es dann nicht erst recht einer gewissen metaphysischen Sicherheit? Religion als Bewältigung unserer Kontingenzangst?

Solche Fragen führen auf den Weg, Funktionen der Religion in der modernen säkularen Gesellschaft freizulegen. Soziologen und Psychologen steuern ihre Beschreibungen bei. Viele andere Versuche kreisen um den Begriff der individuellen und kollektiven „Identität“, deren Sicherung und kulturelle Profilierung der Religion in ihren pluralen Gestaltungen obliege.

Ein anderes großes Thema ist die Funktion der Religion für die Fundierung politischer Ordnung. Stichwort: „Zivilreligion“. Die Rhetorik der amerikanischen Präsidenten liefert dazu die spektakulärsten Beispiele. Aber auch die europäischen Nationen bieten buntes Anschauungsmaterial.

Der Vortrag wird die Schattenseiten dieser (durchaus lebendigen) Religiösität herausarbeiten. Er wird aufweisen, daß alle diese Funktionen in „selbstverschuldete Unmündigkeit“ (Kant) führen und den autoritätshörigen Infantilismus (Freud) begünstigen. Auch die Theologie selbst, sofern sie das Heilsgeschehen funktional interpretiert, hat massive Kritik zu gewärtigen.

Professor Kodalle wird für ein Selbst- und Gottesverhältnis eintreten, das keinem Nutzenkalkül zu unterwerfen ist. Kernsatz: Das Gottesverhältnis ist zweckfrei und damit nutzlos. Es für irgendwelche Lebenszwecke in Dienst zu nehmen, ist anachronistisch und einem nachdenklichen Menschen nicht mehr zuzumuten. Die Freiheit eines Christenmenschen sprengt alle Tausch-Logik auf.

Einige Spuren dieser Idee vom Absoluten sollen auch im Rückblick auf die Geistesgeschichte freigelegt werden. Eine gewisse Schlüsselrolle kommt dabei Kierkegaard im 19. und Bonhoeffer im 20. Jahrhundert zu. Letzterer verkörperte geradezu die Überzeugung, ein Christ dürfe hinter Nietzsches Religionskritik nicht zurückfallen, sondern müsse sie in seine Lebensperspektive einbeziehen!

 

Prof. Dr. Klaus-M. Kodalle ist Professor für Praktische Philosophie am Institut für Philosophie der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

 

Nächste Veranstaltung dieser Reihe:

Prof. Dr. Gerhard Börner (Frankfurt/M.)

Der Anfang unseres Universums – Versuch einer Annäherung

Mittwoch, 23. Juni 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)