Mainzer Universitätsgespräche

 

Was wir nur glauben können –

Über die Grenzen von Wissen und Wissenschaft

 

Prof. Dr. Dietmar Mieth (Tübingen)

 

«An den Grenzen der Rationalität –

die Plausibilität religiöser Erfahrung»

 

Mittwoch, 9. Juni 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

 

Wir überschreiten ständig die Grenzen dessen, was wir wissen können. Insbesondere geschieht dies, wenn Wissenschaftler über ihre Optionen für eine bessere Menschheit sprechen, wenn Poli­tiker Innovationen planen oder wenn Medien über Fortschritte berichten. Hier genügt oft eine gewisse Plausibilität der Erwartung. An den religiösen Glauben legt die wissenschaftliche Welt oft strengere Maßstäbe an als an sich selbst. Oft tendiert man dazu, Glauben aus dem Bereich des Wissens in den Bereich der unkontrollierbaren Gefühle zu verbannen. Nun gibt es aber verschiedene Typen von Erfahrung, die das Wissen prüfen, nicht nur die empirische und experimentelle, sondern auch die experientielle, die Lebenserfahrung. In ihr sind die Phäno­me­ne des Ästhetischen, des Ethischen und des Religiösen verankert. Die religiöse Erfahrung ver­ar­beitet Wahrnehmungen, Erlebnisse und Begegnungen und lebendige Traditionen zu einer Form des Wissens, die zugleich um rationale Plausibilität bemüht ist: "es ist ein Zeichen von Überheblichkeit, wenn man nicht glaubt, ohne es vorher einzusehen; es ist ein Zeichen von Feigheit und Faulheit, wenn man den Glauben nicht mit Vernunft erforschen wollte." (nach Meister Eckhart)

 

Dietmar Mieth, geb 1940 in Berlin, aufgewachsen im Saarland, Studium der Theologie, Philo­sophie und Germanistik, nach der theologischen Promotion in Würzburg Assistent in Tübingen, Habilitation in Theologischer Ethik, Professur für Moraltheologie in Freiburg/Schw. 1974–1981, seither Professor für Theologische Ethik an der Kath.Theol. Fakultät der Universität Tübingen, Begründer und langjähriger Leiter des "Interfakultären Zentrums für Ethik in den Wissen­schaften" (1985–2001), Mitglied kirchlicher, nationaler und europäischer Ethikberatergruppen. Forschungsgebiete: Fundamentalethik, Narrative Ethik, Sozialethik, Ethik in den Wissen­schaften und immer wieder Meister Eckharts Mystik. Über 500 Veröffentlichungen, zuletzt: Was wollen wir können? Ethik im Zeitalter der Biotechnik (2002); Meister Eckhart, Mystik und Lebenskunst (2004).

 

Nächster Vortrag in dieser Reihe:

Prof. Dr. Klaus-M. Kodalle

(Professor für Praktische Philosophie, Friedrich-Schiller-Universität Jena)

Funktionen der Religion? Ein Plädoyer für die Nutzlosigkeit des Glaubens

Mittwoch, 16. Juni 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)