Mainzer Universitätsgespräche

 

Was wir nur glauben können –

Über die Grenzen von Wissen und Wissenschaft

 

Prof. Dr. Dieter Vaitl (Gießen)

 

«Die Faszination des Paranormalen:

Wir wissen, um zu glauben»

 

Mittwoch, 30. Juni 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

 

Das Anormale und Pathologische übt auf den Menschen aus unerklärlichen Gründen eine starke Fas­zination aus. Ähnlich ist es bei den anomalen Phänomenen, wie sie die Parapsychologie untersucht (Hellsehen, Präkognition, außersinnliche Wahrnehmung, Psychokinese). Außergewöhnliche Erfahrun­gen sind, wie eine jüngst durchgeführte Repräsentativumfrage ergab, in Deutschland weit verbreitet. Die aus dem natürlichen Erfahrungsbereich des Menschen stammenden Anomalien haben seit jeher Wis­sen­schaftler verlockt, diesen Phänomenen experimentell auf die Spur zu kommen und nach Erklärun­gen dafür zu suchen. An den Ergebnissen lässt sich zeigen, dass die Anomalien zwar klar beschrieben werden können, es aber an Erklärungen fehlt, ja Erklärungen sogar prinzipiell unmöglich sind. Hier wird meist Wissen durch Glauben ersetzt. Welche Menschen dazu neigen, den verschiedenen Anomalien Glauben zu schenken, und welche sich hartnäckig dagegen sträuben, wird anhand eines psycholo­gi­schen Modells erläutert. Die Situation der wissenschaftlichen Parapsychologie ist bestens dazu prä­desti­niert, die Spannung, die zwischen Wissen und Glauben besteht, zu verdeutlichen. Auf der Grund­lage von Konzepten, die die moderne Hirnforschung geliefert hat, wird der Versuch unternommen zu zeigen, wie Wissensbestände Glaubenskaskaden nach sich ziehen, die ihrerseits zu neuen Einsichten führen können.

 

Prof. Dr. Dieter Vaitl, geboren in Garmisch-Partenkirchen, studierte Philosophie (Lizentiat) und Theo­lo­gie in Rom und Psycho­logie in Freiburg und promovierte an der Universität Münster. Er war als Assis­tent in der psychoso­ma­tischen Abteilung der Universitätskinderklinik Freiburg tätig, hatte an der Univer­sität Münster eine Pro­fes­sur für Klinische und Psychophysiologische Methodik inne und ist derzeit In­haber des Lehrstuhls für Klinische und Physiologische Psychologie an der Universität Gießen. Dort leitet er auch das Institut für Psychobiologie und Verhaltensmedizin. Er ist außerdem Direktor des Bender Institutes of Neuroimaging (Hirnforschung) an der Universität Gießen. Seit drei Jahren leitet er das Institut für Grenzgebiete der Psy­cho­­logie und Psychohygiene in Freiburg. 1997 erhielt er den Deut­schen Psychologie-Preis. Gastpro­fes­suren führten ihn an die Universitäten Padua und Turin. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf den Gebie­ten der Emotions- und Angstforschung, der Gravizeption und der außergewöhnlichen Be­wusst­seinszustände (www.bion.de).

 

Nächster Vortrag in dieser Reihe:

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Mittelstraß

(Direktor des Zentrums Philosophie und Wissenschaftstheorie, Universität Konstanz)

Grenzenlose Wissenschaft?

Von der theoretischen Unendlichkeit und der praktischen Endlichkeit des Wissens

Mittwoch, 7. Juli 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)