Themenschwerpunkt des Studium generale

Mehr als graue Theorie:

Licht und Farben in Wissenschaft und Kunst

 

Prof. Dr. Thomas Koebner (Mainz)

 

Film noir in Farbe

 

Dienstag, 8. Juni 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

 

Der Film noir der 40er und 50er Jahre vertieft seine pessimistische Schilderung einer korrupten Großstadt­Gesellschaft durch eine ausgeprägte Hell-Dunkel-Bildästhetik, die symbolisch aufgeladen ist, nicht nur in Nachtszenen. Diese spezifische, auf 'metaphysische' Assoziationen abzielende Fotografie abstrahiert von der Realität und stellt die Helden der Geschichten in ein Labyrinth aus gleißenden Lichtkegeln und undurch­sichtigen Schlagschatten.

Der so genannte Neo noir-Film seit den späten sechziger Jahren greift Prinzipien und Motive des Film noir auf und radikalisiert sie bisweilen: die existentielle Einsamkeit des ratlos suchenden "private eye", das feine Netz der verhängnisvollen Intrigen, das Doppelgesicht scheinbar ehrenhafter Bürger, die Unzuverlässigkeit angeblicher Freunde oder das Kalkül der verführerischen femmes fatales. Die jetzt gewählte Farbfotografie begünstigt aber keinen trivialen Abklatsch vorgefundener Dinge in der Darstellung – im Gegenteil, sie ver­langt eine oft raffinierte Stilistik in der Bildkomposition, selbst bei Straßenaufnahmen eine 'eingreifend' insze­nierte Farb-Kulisse, und gibt sich nicht mit dem Schock des roten Blutes zufrieden. Auch mit Farben lässt sich eine "dunkle Welt" illuminieren. Film noir (noir, frz. schwarz) in Farbe – das ist also kein Widerspruch in sich.

Die Analysen einiger Beispiele sollen diesen Befund vor Augen führen: Le Samourai, Klute, The Long Goodbye, Chinatown, Angel Heart u.a.

 

Thomas Koebner, geb.1941 in Berlin, Univ.-Prof. für Filmwissenschaft an der Universität Mainz. Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie in München, zunächst Musikkritik als Beruf (Schwerpunkt Musiktheater). Sechs Lehrjahre in den Fächern Neuere deutsche Literatur und Theaterwissenschaft. Seit 1973 o. Professuren in Wuppertal und Marburg für Germanistik und Medienwissenschaft. Direktor der Deut­schen Film- und Fernsehakademie Berlin. Seit 1993 in Mainz. Die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen um­fasst, dem fortgeschrittenen Alter des Autors entsprechend, weit über einhundert Studien und über zwanzig Bücher (als Autor oder Herausgeber und Autor). Aktuelle Forschungsinteressen: Bildtheorie des Films, Wer­tungsfragen bei der Filmkunst, Standardsituationen als dramatische Muster im Film, Elemente filmischen Erzählens, Abschluss einer Monographie über Federico Fellini.

 

Nächster Vortrag in dieser Reihe:

PD Dr. Lioba Theis

(Privatdozentin für Kunstgeschichte, Universität Bonn)

Im Licht der Erkenntnis? Beobachtungen zu Licht und Beleuchtung

in frühchristlichen und byzantinischen Sakralbauten

Dienstag, 15. Juni 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)