Benjamin Schwenn M. A. (Berlin)
Moderne und Postmoderne:
Die sozialwissenschaftliche Diskussion
in Lateinamerika
Dienstag, 27. April 1999, 18.15 Uhr,
Hörsaal Hs 15 (Forum)
Seit Ende der 80er Jahre gibt es unter
lateinamerikanischen Philosophen und Sozialwissenschaftlern einen starken
Trend zu postmodernen Theorie- und Analyseformen. Diese gehen in der Regel
einher mit einer profunden Kritik an eurozentristischen Konzepten und Theorien.
Dieser Paradigmenwechsel hat seine Ursachen in den historischen, politischen,
aber auch persönlichen Erfahrungen mit einer westlich geprägten
Moderne, die in Lateinamerika zu aporetischen Konsequenzen in vielen Bereichen
der Gesellschaft geführt hat. Folge dieser Lesart ist auf der einen
Seite die Anerkennung und Wertschätzung kultureller und politischer
Pluralität genauso wie der formalen Demokratie, auf der anderen Seite
die Ablehnung aller politischen und theoretischen Totalitarismen, zu denen
auch das Konzept der sich selbst verabsolutierenden Vernunft gehört.
Ausgehend von Kants Unterscheidung zwischen Verstand und Vernunft und Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns läßt sich allerdings zeigen, daß die postmodernen Konsequenzen - v.a. die Ablehnung des Universalismus - jener lateinamerikanischen Reflexionen theoretisch unnötig und normativ nicht wünschenswert sind. Ethischer Universalismus ist die Grundlage jeglicher kultureller und politischer Pluralität, und gerade die Wertschätzung der Demokratie erfordert eine normative Fundierung in Form eines ethischen Universalismus (Menschen-/Grundrechte). In diesem Sinne bedeutet die Kritik der Moderne das Überwinden ihrer eurozentrischen Wurzeln, wohingegen ihre normativen Gehalte betont werden - und dies bewahrt unter anderem auch die für Lateinamerika so wichtige Möglichkeit, die geforderte Wertschätzung der Demokratie theoretisch zu begründen.
Benjamin Schwenn, geb. 1970, Studium
der Politikwissenschaft, Philosophie und Lateinamerika-Studien in Hamburg
und Bogotá. Magisterabeit zum gleichen Thema (1997). Z. Zt. Promotion
zum Thema "Kulturelle Grundlagen der Demokratie: ‘Politische Kultur’ als
Schlüsselbegriff für die normative Demokratietheorie" in Berlin.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Christentum und Sklaverei in der Karibik
Dr. Armando Lampe (Aruba)
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