Im Rahmen des Themenschwerpunktes

Umbruch: Tradition und Wandel in Deutschland

lädt das Studium generale zu folgendem Vortrag ein:

 
Prof. Dr. Manfred Schmitt (Magdeburg)
Gerechtigkeit im Wiedervereinigten Deutschland
Donnerstag, 15. April 1999, 18.15 Uhr,
Hörsaal N 3 (Muschel)
 

In nahezu allen Bereichen sind die durchschnittlichen Lebensbedingungen auch acht Jahre nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland objektiv und subjektiv schlechter als in Westdeutschland. Dies wirft für viele Menschen, nicht nur in den neuen Bundesländern, Gerechtigkeitsfragen auf. Sozialpsychologisch kann die Situation als kollektive Deprivation (Osten) und kollektive Privilegierung (Westen) beschrieben werden. Im Vortrag werden zwei mögliche Folgen des Ungerechtigkeitserlebens thematisiert: Einwirkungen auf das Wohlbefinden und die seelische Gesundheit bei erlebter Deprivation und Hilfsbereitschaft bei erlebter Privilegierung. Hypothesen über diese Auswirkungen des Ungerechtigkeitsgefühls werden aus vier psychologischen Theorien abgeleitet: Der Theorie sozialer und temporaler Vergleichsprozesse von Festinger, der Theorie der sozialen Identität von Tajfel und Turner, der Theorie der Relativen Deprivation von Crosby sowie der Theorie der Relativen Privilegierung von Montada. Erwartet wird, daß subjektiv ungerechte Deprivation zu Angst, Neid und Empörung führt und diese Gefühle das Wohlbefinden beeinträchtigen. Eine subjektiv ungerechte Besserstellung sollte hingegen zu Schuldgefühlen führen und diese zu Verzichtsbereitschaft zugunsten der Schlechtergestellten. Empirisch geprüft wurden diese Hypothesen mit Daten aus der Längsschnittstudie "Gerechtigkeit als innerdeutsches Problem", an der etwa 2500 Personen aus Ost- und Westdeutschland teilnehmen. Die Daten stützen die Hypothesen. Es kann gezeigt werden, daß Ungerechtigkeitsurteile in sozialen und temporalen Vergleichen wurzeln, daß Ungerechtigkeitsurteile spezifische Gefühle hervorrufen (vor allem Angst und Neid bei Deprivation und Schuldgefühle bei Privilegierung), daß diese Gefühle bei subjektiver Benachteiligung das Wohlbefinden und die seelische Gesundheit belasten (Angst und Neid), bei subjektiver Besserstellung zu Hilfsbereitschaft und Solidarität disponieren (Schuldgefühle).

Prof. Dr. Manfred Schmitt, geb. 1954, Studium der Pädagogik und der Psychologie an der Universität Trier und an der Pennsylvania State University (1974-1980), Promotion (1988) und Habilitation (1996) im Fach Psychologie an der Universität Trier, Vertretung eines Lehrstuhls für Entwicklungspsychologie an der Universität des Saarlandes (1996-1997), Professor (C3) für Methodenlehre, psychologische Diagnostik und Evaluationsforschung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (seit 1998).
 
 
Nächster Vortrag in dieser Reihe:

Die Zukunft der deutsche Universität.
Über das Verhältnis von Wissenschaft und Politik in der Bundesrepublik
Prof. Dr. Peter Glotz (Erfurt)
Dienstag, 20. April, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)


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