Das Seminar für Klassische Philologie
und das Studium generale
laden zu folgendem Vortrag in lateinischer
Sprache ein:
Dr. habil. Jula Wildberger (Frankfurt a. M.)
Seneca et nos
Dienstag, 28. November 2000, 18.15 Uhr,
Hörsaal P 4 (Philosophicum)
Colloquemur cum Seneca philosopho: Ille
sapiens nos docebit, quid de moribus nostris sentiat. Disputabit de vita
nostra, otio et studiis, negotiis et occupationibus. Sententiam suam feret
de inventis nostrae aetatis. Exponet, quanti profectus nostri in naturali
parte philosophiae faciendi sint; quos quidem miratur, sed iudicat multum
adhuc operis restare, praesertim cum id, quod maxime nostra intersit scire,
ne quaeramus quidem. Denique ostendet, quantum et quomodo litterae nostrae
a philosophia antiqua aberraverint. Dabitur ergo occasio nos ipsos alienis
oculis inspiciendi vitamque nostram aestimandi ad regulam notam quidem
et veterem, sed nihilo minus nostro quoque aptam saeculo. Apparebit enim
nos non multum differre ab antiquis eisdemque rebus laborare, remediorum
autem, quae illis erant, ex magna parte oblitos esse. Qua de causa consilium
Senecae nobis utile erit, fortasse etiam salutare.
Wir werden mit dem Philosophen Seneca
sprechen: Dieser lebenskundige Mann wird uns mitteilen, was er von uns
hält. Er wird unsere Art zu leben diskutieren, unsere Hobbys, unsere
intellektuellen Interessen und unseren Berufsalltag. Er wird erklären,
was er von modernen Erfindungen hält, und darlegen, wie unsere Fortschritte
in den Naturwissenschaften zu bewerten sind. Diese bewundert er zwar, doch
meint er, daß noch vieles zu tun bleibt, zumal wir nicht einmal bereit
sind, die Probleme, die für uns am wichtigsten wären, ernsthaft
zu erforschen. Schließlich wird er zeigen, wie sehr und in welcher
Weise die moderne Wissenschaft vom richtigen Weg der antiken Philosophie
abgekommen ist. Wir werden also Gelegen-heit erhalten, uns selbst mit fremden
Augen zu betrachten und unser Leben nach einem zwar alten und wohlbekannten,
aber immer noch aktuellen Maßstab zu beurteilen. Es wird nämlich
offenkundig werden, daß wir uns nicht wesentlich von den Menschen
der Antike unterscheiden und dieselben Probleme haben, daß aber die
Lösungen, über die jene verfügten, bei uns in Vergessenheit
geraten sind. Deswegen wird Senecas Rat für uns von Nutzen und vielleicht
sogar heilsam sein.
Dr. habil. Jula Wildberger, Magister
Artium in den Fächern Lateinische Philologie, Griechische Philologie
und Alte Geschichte in Frankfurt am Main 1993; seit 1994 Stipendiatin des
Freistaats Bayern; 1997 Promotion an der Universität Würzburg;
seit 1995 am Institut für Klassische Philologie an der Johann Wolfgang
Goethe-Universität in Frankfurt am Main, seit 1998 als Hochschulassistentin.
Veröffentlichungen: Ovids Schule
der elegischen Liebe. Erotodidaxe und Psychagogie in der Ars amatoria,
Diss. Frankfurt am Main 1998. Die Überhöhung der Geliebten
bei Tibull, Properz und Ovid, Gymnasium 105 (1998) 3964. Ovid, A. A.
3,343 und die zweite Auflage der Amores Eine neue Konjektur, WJA N. F.
22 (1998) 177186. Projekt: Kommentar zu Senecas Epistulae morales.
Literatur zum Vortrag: a) Antike Philosophie
heute: Hadot, Pierre: Wege zur Weisheit oder: Was lehrt uns die antike
Philosophie?, Frankfurt am Main 1999. Striker, Gisela: Greek ethics and
moral theory, in Dies.: Essays on hellenistic epistemology and ethics,
Cambridge 1996, 169182. b) Seneca: Abel, Karlhans: Seneca Leben und
Leistung, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt II. 32,3,
Berlin/New York 1985, 653775. Cancik, Hildegard: Untersuchungen zu Senecas
Epistulae morales, Hildesheim 1967. Fuhrmann, Manfred: Seneca und Kaiser
Nero. Eine Biographie, Berlin 1997 = Fischer Taschenbuch: Frankfurt am
Main 1999. Griffin, Miriam T.: Seneca a philosopher in politics, 2.
Aufl. Oxford 1992. Grimal, Pierre: Seneca Macht und Ohnmacht des Geistes,
Darmstadt 1978. Hadot, Ilsetraut: Seneca und die griechisch-römische
Tradition der Seelenleitung, Berlin 1969. Maurach, Gregor: Seneca. Leben
und Werk, 2. Aufl. Darmstadt 1994.
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