Das Seminar für Klassische Philologie

und das Studium generale

laden zu folgendem Vortrag ein:

PD Dr. med. Peter Grunert (Mainz)

Zur Lokalisation der seelischen Funktionen
in den Hirnkammern
von der Antike bis zur Neuzeit

Donnerstag, 22. November 2001, 18.15 Uhr
P 206 (Philosophicum)

Durch den rasanten Wissenszuwachs in den Biowissenschaften erfreut sich ein naturalistisches Konzept des Geistes und der geistigen Funktionen eines zunehmenden Interesses als Lösungsansatz für die Gehirn-Geist-Problematik. Eine frühe Vorstufe, die geistigen Funktionen auch anatomisch zu verankern, finden wir bereits in der Antike. Auch hier versuchte man, ähnlich wie heute, klinisch-empirische, anatomisch-experimentelle und philosophische Betrachtungen in eine einheitliche Theorie zusammenzufassen. Bei dem syrischen Bischof Nemesius aus dem 4. Jh. n. Chr. finden wir in seinem vollständig erhaltenen Buch „Über die Natur des Menschen“ zum ersten Mal eine solche Theorie überliefert. Die geistigen Funktionen verlegte Nemesius in bestimmte Ventrikelteile, wobei er in den vorderen Ventrikelabschnitten das Vorstellungsvermögen und den sensus communis ansiedelte, im mittleren III. Ventrikel das Denkvermögen und die Urteilskraft und im hinteren IV. Ventrikel schließlich das Gedächtnis. Diese Vorstellung wurde über das ganze Mittelalter beibehalten und sogar noch im späten 18. Jh. von einigen Anatomen verfochten.

PD Dr. Peter Grunert, 1953 in Pressburg (Slovakei) geboren, 1966 Flucht mit der ganzen Familie über den „eisernen Vorhang“ nach Österreich; dort weitere Ausbildung. Seit 1980 als Neurochirurg tätig, zuerst in Wien und ab 1989 an der Universitätsklinik Mainz; Habilitation in Neurochirurgie in Mainz 1995. Seine Spezialgebiete im Rahmen der Neurochirurgie sind die funktionelle Neurochirurgie zur Behandlung von M. Parkinson, Schmerzen und Epilepsie sowie die Stereotaxie, eine Methode, die es ermöglicht, Zielpunkte im Gehirn bei bestimmten Operationen millimetergenau zu lokalisieren. Neben der Stereotaxie gilt sein Hauptinteresse philosophischen Konzepten zur Gehirn-Geist-Problematik und der historischen Betrachtung zum Thema „neuroscience“.
 
 
 
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Die Südosteuropa-Gesellschaft, Sektion Mainz

und das Studium Generale

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Dr. Jörg Wagner (Tübingen)
 

Samosata und Zeugma.
Entdeckung und zweiter Untergang
römischer Grenzstädte am Euphrat

Donnerstag, 15. November 2001, 18.15 Uhr, P 6 (Philosophicum)

Im Mittelpunkt des Vortrags steht die Entwicklung der kommagenischen Kulturlandschaft als Teil der römischen Provinz Syria. Dabei liegt ein großes Gewicht auf dem Ausbau der röm. Grenzverteidigung um die beiden Legionslager von Samosata und Zeugma sowie auf der Schaffung einer Infrastruktur, die teilweise bis in das 20. Jh. Bestand gehabt hat. Erst mit den neuen Erdölfunden, dem Bau gewaltiger Staudämme und mit der Intensivierung der Landwirtschaft fand in den letzten drei Jahrzehnten ein großer Umbruch in dieser alten Kulturlandschaft statt, dem auch die beiden Grenzstädte Samosata und Zeugma ganz oder teilweise zum Opfer fielen. Um so wichtiger erscheint es, dass es durch buchstäblich in allerletzter Minute durchgeführte Rettungsgrabungen noch gelang, eine Fülle wichtiger Informationen zur Geschichte dieser Städte zusammenzutragen. Diese werfen neues Licht auf die Bedeutung dieser Grenzstädte und das kulturelle Niveau in den Legionsstädten am mittleren Euphrat.
 

Dr. Jörg Wagner, * 1943 in Dresden, studierte Geschichte (Schwerpunkt: Alte Geschichte), Klass. Archäologie und Sportwissenschaft in Münster und Freiburg. Promotion 1974 über die antike Brückenstadt „Seleukia am Euphrat/Zeugma“; dann von 1975 bis 1985 wiss. Mitarbeiter/Ass. in Tübingen und zugleich Projektleiter für den Bereich Alte Geschichte beim „SFB 19/Tübinger Atlas des Vorderen Orients“. In der kommagenischen Residenzstadt Arsameia am Nymphaios nahm er 1969 – 1971 an Ausgrabungen teil und führte von 1972 – 1982 im Euphrat-Tigris-Gebiet archäol. Surveys durch (zahlreiche Publikationen u. histor. Karten). Seit 1987 ist er stellvertret. Leiter der archäolog. Forschung zum Grabheiligtum des hellenistischen Königs Antiochos I. von Komma-gene auf dem Nemrud Daghi/Südosttürkei. Seit über 15 Jahren leitet W. Studienreisen im Mittelmeerraum und im Jemen, daneben veröffentlichte er zahlreiche populärwissenschaftliche Publikationen zu Geschichte, Kunst und Kultur Kleinasiens und Syriens.
 
 
 
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Das Institut für Politikwissenschaft
und das Studium generale
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ABSCHIEDSVORLESUNG
von

Prof. Dr. Manfred Mols

Was sind
und zu welchem Ende betreiben wir Regionalwissenschaften?
Anmerkungen zur politikwissenschaftlichen Entwicklungsländerforschung

Dienstag, 4. Dezember 2001, 16.15 Uhr,
Senatssaal  (Nat. Fak., Becherweg 21, 7.OG)

Regionalwissenschaften lenken den Blick auf die großen überseeischen Regionen und Kulturen in Asien, Afrika, der arabisch-islamischen Welt und Lateinamerika. „Area studies“ kommt eine ausgesprochene Dolmetscher-Funktion zu, auf die Deutschland schon deshalb nicht verzichten kann, weil in jenen überseeischen Regionen nicht weniger als 80% der Menschheit leben. Gleichwohl gibt es für politikwissenschaftliche Regionalstudien in den deutschen Universitäten Akzep-tanzprobleme, die sehr stark mit internen Brüchen innerhalb des Faches selbst zusammenhängen.

Prof. Mols hat in den fast 30 Jahren seines politikwissenschaftlichen Ordinariates hier in Mainz ein Stück internationale Welt in die Universität geholt. Mehr als 40 seiner Schüler haben ihre – oft vielbeachteten – Dissertationen bei ihm geschrieben, die immer wieder regionalwissenschaftliche Themen behandelten. Und hunderte von – oft auf Lateinamerika und Asien bezogene – Magister- und Staatsexamensarbeiten sind von ihm angeregt und betreut worden. Die Publikationsliste von Mols selbst umfasst mehr als 180 Titel.
 
 
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Die Südosteuropa-Gesellschaft, Zweigstelle Mainz,
das Historische Seminar Seminar, Abteilung Byzantinistik,
und das Studium generale
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Prof. Dr. Diether Roderich Reinsch
Berlin

Kritobulos von Imbros – gelehrter Geschichtsschreiber,
osmanischer Raya und byzantinischer Patriot

Dienstag, 11. Dezember 2001, 18.15 Uhr, P 3 (Philosophicum)

Kritobulos, so die nach dem Geschmack der Zeit gewählte gelehrte Umformung des bürger-lichen Namens Michael Kritopulos, geboren auf  Imbros (heute Imroz oder Gök Ada, Türkei) und nach der Eroberung von Konstantinopel im Mai 1453 einige Zeit Gouverneur dieser Ägäis-Insel, ist ein byzantinischer Historiker "après Byzance": In seinem nach 1467 verfassten Geschichtswerk schildert er die 17 ersten Regierungsjahre des Eroberersultans Mehmed II. Fatih. Der Vortrag beleuchtet die drei Facetten dieses Mannes: sein Gelehrtentum und die literarischen Traditionen, deren er sich bedient, seine Funktion als untergebener Funktionär (und Bewunderer) Mehmeds und seine Solidarität mit den Leiden seines Volkes.

Prof. Dr. Diether Roderich Reinsch: 1959-1967 Studium der Klassischen Philologie und Germanistik an den Universitäten Köln, Tübingen und Berlin (FU), 1962-1963 Stipendium an der Universität Athen. 1967 Staatsexamen im Fach Klassische Philologie. 1967-1974 Studium der Byzantinistik an der FU Berlin und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Aristoteles-Archiv der FU. 1974 Promotion im Fach Byzan-tinistik. Thema der Dissertation: Die Briefe des Matthaios von Ephesos im Codex Vindobonensis Theol. Gr. 174. 1975-1981 Assistenzprofessor am Seminar für Klassische Philologie der Freien Universität Berlin. 1981 Habilitation für das Fach Byzantinische und Neugriechische Philologie an der FU Berlin. Thema der Habilitationsschrift: Kritobulos von Imbros, Historien. 1981-1985 Mitarbeit an verschiedenen Forschungsprojekten in Berlin, Göttingen und Frankfurt am Main. 1986-1993 Professor für Neugriechische und Byzantinische Philologie an der Ruhr-Universität Bochum. Seit 1993 Professor für Byzantinistik an der Freien Universität Berlin.

Publikationen des Referenten:
1. Die Briefe des Matthaios von Ephesos im Codex Vindobonensis Gr. 174, Berlin 1974 (Diss. FU Berlin 1974).
2. (Zusammen mit P. Moraux, D. Harlfinger, J. Wiesner) Aristoteles Graecus. Die griechischen Manuskripte des Aristoteles, I, Berlin-New York 1976.
3. (Zusammen mit G. Fatouros) Neugriechisches Lehrbuch, Berlin 1977. 2., verb. und erw. Aufl. 1980. 3. Aufl. 1984.
4. (Zusammen mit D. Harlfinger, J. Sonderkamp) Specimina Sinaitica. Die datierten griechischen Handschriften des Katharinen-Klosters auf dem Berge Sinai, 9.-12. Jahrhundert, Berlin 1983.
5. Critobuli Imbriotae Historiae, Berlin 1983 (CFHB XXII, Series Berolinensis).
6. Mehmet II. erobert Konstantinopel. Das Geschichtswerk des Kritobulos von Imbros übersetzt, eingeleitet und erklärt, Graz-Wien-Köln 1986 (Byzantinische Geschichtsschreiber 17).
7. (Zusammen mit R. Brandl) Die Volksmusik der Insel Karpathos, Vol. I: Die Lyra-Musik, Göttingen 1992.
8. Anna Komnene, Alexias, übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen, Köln 1996. 2. Auflage, Berlin-New York 2001.
(Zusammen mit A. Kambylis) Annae Comnenae Alexias (CFHB XL/1-2, Series Berolinensis), Berlin – New York (erscheint im Dezember 2001).
 
 
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Das Studium generale

lädt zu folgendem Vortrag ein:

Prof. Dr. Joachim Latacz (Basel)

Troia und Homer

Freitag, 11. Januar 2002, 16.15 Uhr
Hörsaal N 3 (Muschel)

Troia und Homer stehen, untrennbar verbunden, am Anfang der literarischen Überlieferung des Abendlandes. Bis vor kurzem gab es allerdings außer der "Ilias" keine Quellen, die den Namen des Ortes, gar das Geschehen bestätigen oder uns die Gewissheit verschaffen könnten, dass der schon von Schliemann ausgegrabene Ort wirklich das alte Troia ist. Die Grabungskampagne der letzten Jahre, neuere Funde an anderen Stellen in Kleinasien und die Entzifferungsbemühungen der Hethitologen, nicht zuletzt aber auch Hinweise aus den Homerischen Texten selbst lassen es nun als gesichert erscheinen, dass es sich bei der Ausgrabungsstätte an den Dardanellen um Troia handelt - und dass Homer nicht eine ganz und gar ersonnene Geschichte erzählt hat.

Prof. Dr. phil. Joachim Latacz, geb. 1934 in Kattowitz (Oberschlesien). 1953 Abitur an der "Latina der Franckeschen Stiftungen" in Halle/ Saale. 1953-1960 Studium der Altertumswissenschaften (Gräzistik, Latinistik, Alte Geschichte, Vergleichende Indogermanische Sprachwissenschaft, Klassische Archäologie, daneben Philosophie und Slavistik) an den Universitäten Halle/Saale, Freie Universität Berlin und Hamburg. 1960-1965. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am THESAURUS LINGUAE GRAECAE an der Universität Hamburg. 1963 Promotion (Griechisch, Latein, Philosophie) an der FU Berlin. 1972 Habilitation für Klassische Philologie an der Universität Würzburg. 1972 Privatdozent, 1974 Universitätsdozent, 1978 apl. Professor Universität Würzburg. 1978 Lehrstuhl für Klassische Philologie (Gräzistik) Universität Mainz. 1981 Berufung auf den gesetzlichen Lehrstuhl für Klassische Philologie an der Universität Basel (Schweiz).

Spezialgebiete: Homer und die Gattung Epos - frühgriechische Lyrik - griechische Tragödie - Troia-Forschung.

Publikationen: Bisher rund 200 Veröffentlichungen, darunter mehrere Bücher; zuletzt: Homers Ilias. Gesamtkommentar, hrsg. v. J. L. (3 Bände), München/Leipzig: Saur 2000 (Projekt des Schweizerischen Nationalfonds). - Troia und Homer. Der Weg zur Lösung eines alten Rätsels, München: Deutsche Verlags-Anstalt (Koehler & Amelang), 1. Aufl. März 2001, 3. durchgesehene u. verbesserte Aufl. Juli 2001.
 
 
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Das Seminar für Klassische Philologie

und das Studium generale

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Prof. Dr. Georg Rechenauer (Regensburg)

Konkretion und Diffusion des Seins
Strukturbetrachtungen zur physikalischen
Theorie des Anaxagoras

Donnerstag, 24. Januar 2002, 18.15 Uhr
P 3 (Philosophicum)

Anaxagoras aus Klazomenai galt schon zu seinen Lebzeiten als der Naturphilosoph schlechthin, der sich wie keiner um die rationale Plausibilisierung der physikalischen Phänomenalität bemühte. Doch stellt sein philosophisches System, verglichen mit den Konzeptionen der übrigen Vorsokratiker, dem Verständnis größte Probleme, so daß auch die moderne Forschung von einem halbwegs kompatiblen Deutungsmodell noch weit entfernt ist. Besonders umstritten ist die Frage, inwieweit seine Anschauung von einer ontologischen Konstanz des stofflichen Seins mit den weiteren Postulaten seiner physikalischen Teilchenlehre kompatibel ist. Denn Anaxagoras ging von der Voraussetzung aus, daß alle Substanzen ontisch permanent in allen Bereichen der Wirklichkeit vorhanden sind (»alles in allem«), aber phänomenal nur partiell in Erscheinung treten. In Konsequenz dieser Auffassung kommt es zu einer Unverträglichkeit zwischen quantitativen und qualitativen Aspekten des Seins, zu deren Lösung die Forschung teilweise die Ansetzung immaterieller, stoffunabhängiger Qualitäten als Grundprinzipien  vorgeschlagen hat. Demgegenüber soll hier im Ausgang von den kosmogonischen Anschauungen des Anaxagoras versucht werden, den Status seiner Materiekonzeption neu zu bestimmen. Dabei wird sich zeigen, daß man seinen Vorstellungen mit dem gängigen Deutungsinstrumentarium einer Korpuskulartheorie nicht gerecht werden kann, sondern sich um einen Verständniszugang in einer transitorisch-fluidalen Perspektive zu bemühen hat.

Literaturhinweise:

Prof. Dr. Georg Rechenauer (* 1956) studierte von 1976 bis 1983 Klassische Philologie, Geschichte, Germanistik und Philosophie an der Universität München. Nach dem Ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien (1983) erfolgte die Promotion mit einer Dissertation über »Thukydides und die hippokratische Medizin. Naturwissenschaftliche Methodik als Modell für Geschichtsdeutung« (1986). Der Habilitation für das Fachgebiet »Klassische Philologie« (1995) lag die Arbeit über »Physik und Ethik bei Demokrit« zugrunde. 1998 erfolgte der Ruf auf den Lehrstuhl für Griechische Philologie der Universität Regensburg. Das wissenschaftliche Arbeitsgebiet erstreckt sich von den Anfängen der griechischen Literatur in den Dichtungen Homers und Hesiods und der Elegie über die vorsokratische Philosophie, die Geschichtsschreibung, die Rhetorik, die Tragödie wie die Komödie bis hin zu den philosophischen Schulen des Hellenismus sowie den Fachwissenschaften. Umfangreiche Monographien sind der Geschichtsschreibung des Thukydides sowie zum Verhältnis von Physik und Ethik in der Philosophie Demokrits gewidmet. Die Aufsätze befassen sich mit Themen aus dem Bereich des antiken Lehrgedichts insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Leserführung, mit Fragen der Komposition epischer Dichtung, der Umsetzung des Tragischen durch Sprechhandlungen in dramatische Struktur, dem Verhältnis von Gattungstypologie und Rezeptionsästhetik in der griechischen Komödie, den theoretischen Bildungsinhalten der antiken Rhetorik, der Konzeption und Funktion des Göttlichen in der atomistischen Philosophie u. dgl. Gegenwärtig in Arbeit sind Beiträge zur vorsokratischen Philosophie im Rahmen einer Neubearbeitung von F. Ueberwegs Grundriss der Geschichte der Philosophie (Forschungsgeschichte, Anaxagoras, Demokrit), eine Monographie zu Sophokles sowie eine motivgeschichtliche Untersuchung zur Darstellung von Pestkatastrophen in literarischen Werken der Antike.
 
 
 
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Das Romanische Seminar
und das Studium generale

laden zu folgender Veranstaltung ein:

Prof. Dr. Hartmut Köhler (Trier)

Baltasar Gracián –
Versuch, das »Criticón« zu verdeutschen

Donnerstag, 24. Januar 2002, 18.15 Uhr,
Hörsaal P 207 (Philosophicum)

Auf dem Titel steht zwar »Roman«, aber dahinter verbirgt sich ein Panoptikum barocker Lebensklugheit. „Jetzt ist der Wunderwälzer aus Spanien endlich glänzend übertragen und erläutert: etwas für Feinschmecker“. (Der Spiegel, 8. Oktober 2001).
Das totale Buch, das der Verlag und sein Übersetzer Hartmut Köhler aus der Kammer des Vergessens geholt haben, ist ein dreieinhalb Jahrhunderte altes Werk. Baltasar Gracián, spanischer Jesuitenpater, Lehrer, Beichtvater und Schriftsteller, 1601 geboren, 1658 gestorben, gehört zu den merkwürdigsten Erscheinungen am Ausgang des spanischen goldenen Zeitalters. „Der Ratgeber der Lebensklugheit“, wie ihn Hugo Friedrich nannte, ist ein Nachfahre seiner großen Kollegen im Geiste, Seneca und Lukian.
Critilo, der kritisch-weise Vater, erleidet Schiffbruch vor der Insel Sankt Helena. Hier lernt er Andrenio kennen, den jungen Menschen der Sinne, der in einer Höhle lebte, von Tieren ernährt wurde und ein spanischer Kaspar Hauser zu werden drohte. „Critilo ist ein Don Quijote ohne Wahn und Andrenio ein Sancho Panza ohne Torheit“ (Werner Krauss). Die gemeinsame Reise führt sie durch Spanien, [-] Frankreich und Deutschland und schließlich „ins Mekka der Christenheit, nach Rom“. (Fritz Rudolf Fries in: Frankfurter Rundschau, 6. Oktober 2001).
An den Stationen dieser Reise ereignen sich keine abenteuerlichen Geschichten; sie sind vielmehr Gedankenorte, an denen die Reisenden „über die moralische Bedeutung der Welt, vor allem über die Differenz von Schein und Sein, aufgeklärt werden.“ (Heinz Schlaffer in: Süddeutsche Zeitung, 10. Oktober 2001).
Allegorische Dichtung neigt zur Belehrung – bei Baltasar Gracián wächst sie sich aus zum funkelnden Gesamtkunstwerk. So absehbar der Pfad, auf dem die beiden Suchenden schreiten, so bunt, so plastisch und lebendig seine einzelnen Stationen. Wenn Gracián ein Moralist ist, dann vor allem in dem Sinn, daß er die mores, die Sitten, vor allem aber die Unsitten wie kaum ein zweiter kennt.
 Für den nicht spanischsprachigen Leser steht und fällt die Eleganz des Gracián’schen Witzes mit der Kunst des Übersetzers. [-] Hartmut Köhlers [-] Übersetzung, die erste vollständige in deutscher Sprache, [––] wird ihresgleichen wohl noch lange suchen. (Kersten Knipp in: Neue Zürcher Zeitung, 9.10.01).

Prof. Dr. Hartmut Köhler lehrt Romanistik an der Universität Trier. Zahlreiche Arbeiten zur romanistischen Literaturwissenschaft, davon mehrere Übersetzungen. Für die deutsche Ausgabe der »Cahiers« von Paul Valery (6 Bände 1987 – 1993) erhielt er den Paul-Celan-Übersetzerpreis.
 
 
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Das Institut für Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft
– Sprachen Nordeuropas und des Baltikums –
und das Studium generale
laden zu folgendem Gastvortrag ein:

Prof. John Ole Askedal (Oslo)

Überlegungen
zur morphosyntaktischen
Entwicklung des Germanischen

Donnerstag, 31. Januar 2002, 18.15 Uhr
Hörsaal P 15 (Philosophicum)

Es wird zunächst ein Bild typologischer Konvergenz- und Divergenzerscheinungen im Bereich der Nominalflexion und der Verbalkonstruktionen (verbale Kettenbildung, Auxiliarkonstruktionen) der modernen germanischen Sprachen entworfen, wobei insbesondere auch areale Bezüge Berücksichtigung finden. Auf dieser Grundlage werden allgemeinere Überlegungen zur morphosyntaktischen Entwicklung der germanischen Sprachen im Umfeld anderer europäischer Sprachen angestellt. Abschließend soll eine Diskussion der Auffassungen in zwei neueren Arbeiten zur Bestimmung des Germanischen – K. Braunmüller: “Was ist Germanisch heute?” und Theo Vennemann: “Zur Entstehung des Germanischen”, beide in Sprachwissenschaft 3/2000 – dazu dienen, die Konvergenz- und Divergenzproblematik weiter zu problematisieren.

Prof. John Ole Askedal, geb. 1942 in Arendal, Norwegen; 1961–1962, 1964–1969 Studium der Philosophie, Russistik, Nordistik und Germanistik an der Universität Oslo; ab 1975 Dozent, seit 1985 Professor für deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Oslo.

Publikationen des Referenten zum Thema:
Réflexions typologiques sur la syntaxe de partie verbale du rhème en allemand et dans d’autres langues germaniques, Paris 1988; “Typologische und areallinguistische Überlegungen zu den modernen germanischen Sprachen”, Sprachwissenschaft 14 (1988), 440–66; “Aspekte der Morphosyntax der modernen skandinavischen Sprachen vor dem Hintergrund der Sprachtypologie”, Arbeiten zur Skandinavistik. 10. Arbeitstagung der deutschsprachigen Skandinavistik 22.–27.9.1991 am Weißenhäuser Strand, Hrsg. B. Glienke, E. Marold et al., Frankfurt am Main 1993, 301–15; “Geographical and Typological Description of Verbal Constructions in the Modern Germanic Languages”, Drei Studien zum Germanischen in alter und neuer Zeit, Hrsg. J.O. Askedal und H. Bjorvand,Odense 1995, 95–146.
 
 
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Der Schwerpunkt Polen,
das Deutsche Institut
und das Studium generale
laden zu folgendem Vortrag ein:

Prof. Dr. Miroslawa Czarnecka (Wroclaw/ z.Zt. Mainz)

Vielheit, die eine Einheit ist.
Zum Paradigma des Weiblichen in Carl Hauptmanns Roman
"Mathilde - Zeichnungen aus dem Leben einer armen Frau"

Dienstag, 5. Februar 2002, 18.15 Uhr,
Hörsaal N 3 (Muschel)

Mit seinem Mathilde-Roman, der zuerst 1902 erschien, um dann 1907, 1919 und 1927 weitere Auflagen zu erleben, schreibt sich Carl Hauptmann - der weniger bekannte Autor des Brüderpaares - in den interdisziplinären Geschlechterdiskurs an der Schwelle zum 20. Jahrhundert ein. Dieser Machtdiskurs wurde durch das Differenzmodell der Geschlechter vorbestimmt und entfaltete sich offensichtlich in der Figur des Geschlechterkampfes. Die Frau konnte eigentlich nur als Mutter ihre Daseinsberechtigung erhalten. Im Mythos der Mutterschaft und der Mutterliebe, wurde auch bei Carl Hauptmann das Paradigma des Weiblichen kreiert.

Prof. Dr. Miroslawa Czarnecka ist Professorin für neuere deutsche Literatur im Institut für Germanistik an der Universität in Wroclaw (Breslau). Sie promovierte über die Frauenliteratur der 70er und 80er Jahre in der Bundesrepublik und habilitierte mit dem Buch "Die verse=schwangere Elysie. Zum Anteil von Frauen an der literarischen Kultur Schlesiens im 17. Jahrhundert". Sie ist Vizedirektorin des Instituts und leitet auch die Forschungsstelle für Kultur und Literatur des schlesischen Barocks an der Universität Wroclaw. Sie gehört internationalen Gremien an, ist Vizepräsidentin der Internationalen Andreas-Gryphius-Gesellschaft, Mitherausgeberin von "Daphnis", Mitglied der Internationalen Kommission zur Edition der deutschen Literatur der Frühen Neuzeit, Mitbegründerin und Vorstandsmitglied der Polnischen Gerhart-Hauptmann-Gesellschaft. Für ihre Forschung und ihren Beitrag zur deutsch-polnischen Verständigung wurde Prof. Czarnecka 1998 mit dem Dehio-Preis der deutschen Künstlergilde ausgezeichnet.

Publikationen der Referentin:
Die "verse=schwangere" Elysie. Zum Anteil von Frauen an der literarischen Kultur Schlesiens im
17. Jahrhundert. Wroclaw 1997.
Dichtungen schlesischer Autorinnen des 17. Jahrhunderts. Eine Anthologie, Wroclaw 1997.
Gerhart Hauptmann, Leben und Werk 1914-1946, Wroclaw 1998 (zusammen mit Jolanta Szarfarz).
(Hg.): Die Bilder der "neuen" Frau in der Moderne und den Modernisierungsprozessen des 20. Jahrhunderts. Wroclaw 1998.
Mutterbilder und Mütterlichkeitskonzepte im ästhetischen Diskurs (Hg.), Wroclaw 2000.
 
 
 
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Der Fachbereich Katholische Theologie,

der Fachbereich Evangelische Theologie

und das Studium generale laden zu folgendem Vortrag ein:
 

P. Dr. Cosmas Hoffmann OSB (Abtei Königsmünster)

Der interreligiöse Dialog
und die Ökumene der Mönche

Freitag, 15. Februar 2002, 11.15 Uhr,
Hörsaal 13 (Forum, Becherweg 4)

Seit einigen Jahren fördert der „Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog“ in Zusammenarbeit mit der weltweiten Konföderation der Benediktiner den interreligiösen Dialog auf der monastischen Ebene. Dabei wird das Mönchtum als eine in der Religion verwurzelte und die Religionen übergreifende Lebensform angesehen und als Brücke zwischen den Religionen verstanden, die im Zentrum der jeweiligen Religion verankert ist.
Die Regel Benedikts versteht unter einem Mönch einen Menschen, der wirklich Gott sucht. Darum wissen sich die Mönche allen Menschen, die – unabhängig von Religion und Konfession – wahrhaft Gott suchen, verbunden. So ist der monastische interreligiöse Dialog eine Bekräftigung und Vertiefung des ökumenischen Auftrags, wird die innerchristliche Ökumene geweitet und ergreift wirklich den bewohnten Erdkreis, die „oikumene“.

P. Dr. Cosmas Hoffmann OSB, geb. 1965, Mönch der Abtei Königsmünster (Stadt Meschede/Sauerland). Studium der Theologie, Philosophie und Religionswissenschaft in Paderborn, Jerusalem und Bonn. Dipl. Theol., Magister in Religionswissenschaft, Dr. theol. Tiefenpsychologische Tanz- und Ausdruckstherapie in Bonn. Leiter des „Haus der Stille“ der Abtei Königsmünster. Sekretär des DIM (Dialogue interreligieux monastique) / „Monastischer Interreligiöser Dialog“ im deutschen Sprachraum.

Veröffentlichungen: Bestattungsriten bei Bantustämmen Tansanias. Bonn 1995; Die Stellung der Nichtchristen und der nichtchristlichen Religionen im Werk Thomas Ohms, St. Ottilien 2001. – Zum „Haus der Stille“: Dieter Bartetzko, Würde doch nur mehr geschwiegen. Wo sich Architektur als Philosophie erweist: Für die Abtei Königsmünster hat Peter Kulka einen grandiosen Bau geschaffen. FAZ, 29. August 2001, S. 45.
 
 
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