Das Seminar für Englische Philologie


und das Studium generale


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:


Prof. Dr. Hildegard Hammerschmidt-Hummel

Die verborgene Existenz
William Shakespeares im englischen Katholizismus

Donnerstag, 14. November 2002, 17.15 Uhr, Hörsaal N3 (Muschel)

Die überkommene Vorstellung vom "merry old England" der Shakespearezeit ist ein Mythos. Nach ihrer Thronbesteigung (1558) erklärte Elisabeth I. den Protestantismus zur Staatsreligion und setzte sich zum Ziel, den Katholizismus noch zu ihren Lebzeiten auszurotten. Zahlreiche antikatholische Strafgesetze wurden verabschiedet. Es kam zu brutalen Verfolgungen und grausamen öffentlichen Hinrichtungen von Priestern und Anhängern der alten Religion. Die Verfolgten gingen ins Exil (zumeist nach Flandern, wo 1568 das erste katholische Englische Kolleg auf dem Kontinent gegründet wurde) oder bildeten im Untergrund ein verschwiegenes Netz - vornehmlich zum Schutz von Priestern. Auf welcher Seite stand William Shakespeare (1564-1616)? Sein literarisches Werk ist seit Jahrhunderten ein permanentes Faszinosum, seine immense Wirkungsgeschichte beispiellos. Im Leben des Dichters aber gibt es noch immer viele offene Fragen. Wer waren seine Eltern und Lehrer? Wie hielten sie es mit der neuen gesetzlich verordneten Staatsreligion? Wann und wo konnte William studieren, sein umfassendes Wissen, seine geographischen Kenntnisse und seine Weltläufigkeit erwerben? Wo erhielt er das Rüstzeug und die Praxis als Bühnenautor? Warum mußte er 1585 Stratford fluchtartig verlassen? Wo und in welchen Kreisen verbrachte er die sieben 'verlorenen Jahre' (1585-1592)? An die Stelle schlüssiger Antworten traten bisher oft Phantasien. Es verbreitete sich die Fehlmeinung, ein anderer Autor sei Urheber der unsterblichen Dramen. Die Shakespeare-Forscherin Hildegard Hammerschmidt-Hummel trägt ihre jüngsten, auf der Grundlage neu entdeckter bzw. neu erschlossener historischer Quellen gewonnenen Forschungsergebnisse vor und kann eine seit Jahrhunderten umstrittene Frage der Shakespeare-Biographik beantworten, die Frage nach Shakespeares religiösem Bekenntnis, die als Schlüssel zum Verständnis der vielen Geheimnisse und Ungereimtheiten in seinem Leben und Werk anzusehen ist.

Prof. Dr. Hildegard Hammerschmidt-Hummel lehrt englische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Mainz. Ihre Schwerpunkte sind die transdisziplinäre Erforschung von Geschichte, Handel, Literatur und Kultur der frühen Neuzeit, insbesondere der Kulturgeschichte der Shakespeare-Zeit, der Bildnisse und der Biographie William Shakespeares sowie seiner Werke und ihrer bildkünstlerischen Rezeption. Als leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin eines langjährigen Akademie- und DFG-Projekts war die Referentin verantwortlich für Ausbau und Edition der Sammlung des Shakespeare-Bildarchivs an der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur und erarbeitete die derzeit im Druck befindliche 3-bändige Bilddokumentation Die Shakespeare-Illustration (1594-2000) mit mehr als 3000 Abbildungen zu sämtlichen Dramen Shakespeares. In Zusammenarbeit mit Experten des Bundeskriminalamts und Fachmedizinern bewies sie 1995 die Echtheit der Darmstädter Shakespeare-Totenmaske und der beiden wichtigsten Shakespeare-Porträts. Diese Ergebnisse publizierte sie im Shakespeare-Jahrbuch (1996), in der Anglistik (März und Sept. 1996 sowie März 1998) und in Symbolism (New York, 2000). Ihre DFG-geförderte Monographie über die authentischen Bildnisse Shakespeares ist in Vorbereitung. Durch umfangreiche kulturhistorische Recherchen und in Verbindung mit Experten löste die Shakespeare-Forscherin das Rätsel um Shakespeares 'Dark Lady' (1999) und klärte die offene Frage der Konfession des Dichters (2001). In ihrer Anfang 2003 erscheinenden Shakespeare-Biographie werden die Vernetzung von Zeit, Leben und Werk des großen Briten vor Augen geführt und weitere neue Forschungsergebnisse vorgestellt, die William Shakespeare als historische Persönlichkeit und als Dichter in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen. Neben zahlreichen Beiträgen in Fachzeitschriften und überregionalen Zeitungen schrieb die Referentin folgende Bücher: Das historische Drama in England (1972), Die Importgüter der Handelsstadt London als Sprach- und Bildbereich des elisabethanischen Dramas (1979), Die Shakespeare-Illustrationen des Frankfurter Malers Victor Müller im Städelschen Kunstinstitut (1990), Die Traumtheorien des 20. Jahrhunderts und die Träume der Figuren Shakespeares (1992), Das Geheimnis um Shakespeares 'Dark Lady'. Dokumentation einer Enthüllung (1999) und Die verborgene Existenz des William Shakespeare. Dichter und Rebell im katholischen Untergrund (2001).

 

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