MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE

Im Rahmen des Themenschwerpunktes


Medizin - im Widerspruch mit Ethik und Recht?


lädt das Studium generale zu folgender Veranstaltung ein:

Prof. Dr. Rolf Rosenbrock (Berlin)


Chronisch Kranke -
die Verlierer des Systems?


Mittwoch, 11. Dezember 2002, 17.15 Uhr
Hörsaal N 3 (Muschel)


Nach seinem im Jahre 2000 novellierten gesetzlichen Auftrag hat der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen Bereiche mit Über-, Unter und Fehlversorgung aufzuzeigen und zu bewerten. Befragt wurden in den Jahren 2000/01 mehr als 200 Akteure, darunter auch Patientenvereinigungen, im Hinblick auf die Versorgung chronisch Kranker, für die mehr als zwei Drittel der jährlichen Versorgungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 135 Mrd. Euro aufgewendet werden. Im Ergebnis wurde für alle Erkrankungen in erheblichem Umfang sowohl Über-, als auch Unter- und Fehlversorgung ermittelt. Diese lassen sich auf sechs systematische Ursachen zurückführen: (1) Dominanz akutmedizinischer Versorgung, (2) ›Somatische Fixierung‹ der Versorgung, (3) Passivierung der Patienten, (4) Vernachlässigung der Prävention, (5) Vernachlässigung der Rehabilitation, (6) Unzureichende Schulung und Partizipation der Patienten. Diese sechs durchgängigen Defizite der Krankenversorgung lassen sich im Wesentlichen auf drei Ursachenbündel zurückführen: (1) Qualifikationsdefizite bei Ärzten und anderen Gesundheitsprofessionen im Hinblick sowohl auf evidence based medicine als auch auf Kommunikation und Kooperation; (2) Ökonomische Fehlanreize auf Seiten sowohl der Krankenkassen als auch des Versorgungssystems und (3) die institutionelle sowie auch rechtliche Fragmentierung der Versorgung. Es wird bezweifelt, dass diese Probleme durch eine Vermehrung der finanziellen Ressourcen vermindert werden könnten.


Prof. Dr. rer. pol. Rolf Rosenbrock, geb. 1945 in Thüringen, seit 1948 aufgewachsen im Rheinland, nach Abitur und kaufmännischer Lehre ab 1966 Studium an der FU Berlin (1972 Diplom-Kaufmann), ein Jahr Studienaufenthalt in Lateinamerika, 1977 Promotion in Politischer Ökonomie an der Universität Bremen, Habilitation in Sozialwissenschaften 1988. - Seit 1977 am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, dort Aufbau der Gesundheitsforschung (Public Health), seit 1988 Leiter der Arbeitsgruppe Public Health. Lehrt u. a. an der Technischen Universität Berlin Gesundheitspolitik. Er betreibt seit den siebziger Jahren Gesundheitsforschung, Lehre und Politikberatung und hat u. a. zur Steuerung und Finanzierung der Krankenversorgung, zur GKV-Politik, zur betrieblichen Gesundheitspolitik, zu Verhaltens- und Verhältnisprävention, Präventionspolitik und sozial bedingter Ungleichheit vor Krankheit und Tod geforscht und publiziert. - Er ist Mitglied des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (SVR KAiG, Bonn), stellv. Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA, Köln), Mitglied des Vorstandes des Berliner Zentrums Public Health (BZPH), des Nationalen Aids-Beirats (NAB) etc.


Nächste Veranstaltung in dieser Reihe:

Prof. Dr. Asmus Finzen (Basel)
Hilfe zum Suizid als aktive Sterbehilfe
Mittwoch, 8. Januar 2003, 17.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

 

Fragen oder Anregungen? Zurück zu den MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHEN