Das
Historische Seminar, Abt. Mittelalter,
das
Institut für Geschichtliche Landeskunde
und
das Studium generale
laden
zu folgendem Vortrag ein:
Enttarnt oder erfunden?
Die Entdeckung der rheinischen Katharer
in der Mitte des 12. Jahrhunderts
Donnerstag, 30. Oktober 2003, 17.15 Uhr, Hörsaal N 3
(Muschel)
Das
Rheinland gilt als eines der groβen Zentren mittelalterlicher Ketzerei,
zusammen mit dem Languedoc und der Lombardei. Es hat
einige der bedeutendsten Texte zum Verständnis der Anfänge des Katharismus hervorgebracht, so zum Beispiel den berühmten
Brief Evervins von Steinfeld an Bernhard von Clairvaux, der für viele Historiker das erste Zeugnis für
die katharische Lehre im gesamten Abendland
darstellt; oder auch den Liber contra hereses katarorum Eckberts
von Schönau, der um 1163 den Begriff „Katharer“ in
die Ketzerpolemik des 12. Jahrhunderts einführte.
Wie
aber soll man sich das Auftauchen dieser katharischen
Häresie vorstellen? Haben wir es mit einer neuen religiösen Bewegung zu tun,
die sich unter dem Begriff „Katharer“ formierte und
die, weil sie sozial geschlossen existierte, von einigen Spezialisten unter
diesem Namen enttarnt werden konnte? Oder zeigt die Benutzung eines ersten
gemeinsamen Namens für verschiedene Ketzergruppen im Rheinland schlicht einen
Strategiewandel in der Kirche an, die aus Gründen einer effizienteren
Ketzerbekämpfung dazu übergeht, mehr oder weniger fiktive Erklärungs-Raster zu
erstellen, die Ketzerei also gewissermaβen selbst zu erfinden? Einige
Indizien lassen darauf schlieβen, dass Eckbert von Schönau nach einer ihm
eigenen Rezension der patristischen Literatur den „Katharismus“
des 12. Jahrhunderts doktrinal weitgehend selbst
ausgestaltet und damit seinen Zeitgenossen ein neues Deutungsmuster der
sozialen und religiösen Dissidenz im Rheinland
liefert.
Dr. Uwe Brunn, geboren 1962
in Coburg, Historiker, Promotion an der Universität Nizza, Lehrtätigkeit in mittelalterlicher
Geschichte. Forschungsschwerpunkte: kirchliche Polemik gegen Ketzer, Reform und
Häresie, Sekten und ihr Bild in der mittelalterlichen Historiographie. Veröffentlichungen, zuletzt
in Heresis, n° 36-37, 2002 :
„Cathari, catharistae
et cataphrygae, ancêtres
des cathares du XIIe
siècle?“