MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE
Im Rahmen des Themenschwerpunktes
Bücher der Weisheit – Lehren fürs Leben
lädt das Studium generale
zu folgender Veranstaltung ein:
Prof. Dr. Ottmar Ballweg (Mainz)
Hörsaal N 3 (Muschel)
Bibliographie:
Das Verständnis für den Menschen Montaigne und seine Essais eröffnet sich durch Nietzsches wundervolles Wort über ihn, wohlgemerkt zu dem Menschen, gar noch nicht so sehr zu seinem Werk: "Daß ein solcher Mensch geschrieben hat, dadurch ist wahrlich die Lust auf dieser Erde zu leben vermehrt worden ... Mit ihm würde ich es halten, wenn die Aufgabe gestellt wäre, es sich auf der Erde heimisch zu machen." (Schopenhauer als Erzieher, 1874.)
Bemerkungen des Referenten zum Vortragsthema:
Woher nur rührt die merkwürdige seltsame Verbindlichkeit, die der
Mensch Montaigne und sein Werk auf mich seit langem ausgeübt haben? Die
pedantische Angewohnheit, in gekaufte Bücher das Datum meiner Anschaffung
einzutragen, ebenso die Daten der Lektüre, lässt sich überprüfen.
Es war 1958, als ich mir Lüthys Ausgabe gekauft habe und mir ein Motto
dazu eingangs notiert habe: "Eritis sicut homines", in Analogie zu
der mephistophelischen Verheißung "Eritis sicut deos, scientes bonum
et malum", wenn auch ohne den Anspruch des Erkennens von Gut und Böse,
denn davor hat mich schon früher Nietzsche bewahrt, der sagte: "Mein
Hauptsatz: Es gibt keine moralischen Phänomene. Es gibt nur eine moralische
Interpretation dieser Phänomene. Diese Interpretation selbst ist außermoralischen
Ursprungs." Übertragen auf mein ursprüngliches Fach der Rechtsphilosophie
heißt das: "Es gibt keine juristischen Phänomene, es gibt nur
eine juristische Interpretation dieser Phänomene. Die Interpretation selbst
ist außerjuristischen Ursprungs." So in der Festschrift "Rhetorische
Rechtstheorie" anno 1982 für meinen Lehrer Theodor Viehweg. Nach der
Lehre der Rechtsphilosophie und der Rechtssoziologie wandte ich mich der Analyse
der rhetorischen Konstruktion sozialer Wirklichkeit durch soziale Steuerungssprachen
zu; die Jurisprudenz ist nur eine unter anderen, die wir als Wirklichkeit erleben.
Montaigne, der Jurist, verdient höchste Beachtung. Darüber hinaus
erkannte er, wie der Konstruktivismus neuerdings analysiert, die anthropogene
Urheberschaft dieser Sprachwirklichkeit: "Was man uns auch predigt, was
wir auch lernen, wir sollten immer bedenken, dass der Mensch es ist, der gibt,
und der Mensch, der empfängt; eine sterbliche Hand reicht es uns dar, und
eine sterbliche Hand nimmt es auf."
Prof. Dr. Ottmar Ballweg, Professor für Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie, später Rhetorik (Grundlagenforschung). Publikationen: Zu einer Lehre von der Natur der Sache. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1960, 2. Aufl. 1963. - Rechtswissenschaft und Jurisprudenz. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1970. - (Hg.), Rhetorische Rechtstheorie, Festschrift für Theodor Viehweg, Freiburg i. Br. 1982.
Nächste Veranstaltung in dieser Reihe:
Prof. Dr. Alfred Schmidt (Professor em. für Philosophie,
Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. Main)
Schopenhauers "Aphorismen zur Lebensweisheit"
Mittwoch, 11. Februar 2004, 18.15 Uhr, N 3 (Muschel)