Themenschwerpunkt des Studium generale WS 2003/04

Angst: Leben schützend, Leben bedrohend

 

Prof. Dr. Dieter Vaitl (Gießen)

 

Neurobiologische Grundlagen von

Angst und Angstbewältigung

Dienstag, 25. Nov. 2003, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

 

Angst hat verschiedene Gesichter. Sie ist eine lebenswichtige Basisemotion. Von vitaler Bedeutung ist es, lebensbedrohliche Reize schnell und zuverlässig zu identifizieren, um dann auf sie mit Verhaltensmustern wie Flucht, Vermeidung, aggressive Abwehr, Bewegungsstarre oder Unterwerfung rasch, situationsgerecht und flexibel zu antworten. So heterogen und vielfältig die pathologischen Angststörungen auch sein mögen (Panikattacken, Phobien, generalisierte Angststörung, posttraumatische Belastungsstörung, Zwangs­störung), liegen ihnen ähnliche neurobiologische Mechanismen zugrunde, die hirnfunktionell als Furcht- und Angstsystem beschrieben werden können. Es sind dies in den subkortikalen Arealen des Gehirns angesie­delte, präzis lokalisierbare, hoch effektive Prozesse, die, wie im Fall der Angststörung, dominant werden können und sich weitgehend einer willentlichen Kontrolle entziehen. Diese hirnfunktionellen Regulations­störungen manifestieren sich dann auf drei Ebenen, nämlich in Form von kognitiven, motorisch-expressiven und physiologischen Reaktionsmustern. Als Methoden der Angstbewältigung haben sich verhaltens­thera­peutische Maßnahmen als erfolgreich erwiesen. Sie zielen allesamt darauf ab, Kontrollinstanzen im Gehirn der Betroffenen zu aktivieren, die die Dominanz des Furchtsystems eingrenzen und beschränken. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die bewusst-willentliche und beharrliche Auseinandersetzung mit Angst aus­lösenden Situationen. Dies gelingt nur, wenn dadurch basale Stirnhirnfunktionen und andere, ähnliche Kontrollmechanismen aufgebaut werden.


Prof. Dr. Dieter Vaitl,
geboren in Garmisch-Partenkirchen, studierte Philosophie in Rom und Psychologie in Freiburg und promovierte an der Universität Münster. Er war als Assistent in der psychosomatischen Abteilung der Uni­versitäts­kinderklinik Freiburg tätig, hatte an der Universität Münster eine Professur für Klinische und Psycho­physio­logische Methodik inne und ist derzeit Inhaber des Lehrstuhls für Klinische und Physiologische Psychologie an der Universität Gießen. Dort leitet er auch das Institut für Psychobiologie und Verhaltensmedizin. Er ist außerdem Direktor des Bender Institutes of Neuroimaging an der Universität Gießen. Seit zwei Jahren leitet er zudem das Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg. 1997 erhielt er den Deutschen Psycho­logie-Preis. Gastprofessuren führten ihn an die Universitäten in Padua und Turin. Seine Forschungs­schwerpunkte liegen auf den Gebieten der Konditionierbarkeit autonomer Reaktionen (z.B. Furchtkonditionierung), Basisemotionen, Gravizeption und außergewöhnlichen Bewusstseinszustände (www.Bion.de).

 

 

Nächster Vortrag in dieser Reihe:

Prof. DDr. Dr. h.c. Eugen Biser

(Professor em. für Christliche Weltanschauung und Religionsphilosophie, LMU München)

Das Christentum als Religion der Angstüberwindung

Dienstag, 9. Dezember 2003, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)