Prof. Dr. Ursula Nilgen (München)
Frühe Buchmalerei in Cîteaux
Dienstag, 24. November 1998, 18.15 Uhr,
Landesmuseum Mainz (Große Bleiche
49)
Dem Reformorden der Zisterzienser geht der Ruf asketischer Strenge und Einfachheit in Lebensführung und Kunst voraus, und vor allem die Frühzeit des Ordens scheint ganz von diesem Ideal geprägt. Auch der meist äußerst zurückhaltende Schmuck der in Zisterzienserklöstern hergestellten Bücher zeugt von dieser distanzierten Einstellung zur Kunst, die von Bernhard von Clairvaux als vom Wesentlichen ablenkend denunziert wurde. Doch zeigt ein Blick auf die Anfänge des Ordens, bevor Bernhards Einfluß dominant wurde, ein erheblich differrenzierteres Bild. Abt Stephan Harding, der das junge Kloster von Cîteaux und als Abt des Mutterklosters den gesamten Orden von 1108/09 bis 1133 leitete, förderte die Buchmalerei und zog bedeutende Künstler zur Ausschmückung der wichtigsten Bücher seines Klosters heran. Der Charakter der ersten Phase dieser Kunst ist von einem weltoffenen Realitätssinn voll entwaffnender Komik, auch von einer Lust am schieren Spaß geprägt, die nicht ins gängige Bild passen wollen und deren Witz aus englischen Quellen gespeist zu sein scheint. Es war offensichtlich gerade diese Buchkunst, die Bernhard als Novize kennnengelernt hatte, die seine kritische Haltung provozierte. Auf den wachsenden Druck der jüngeren, von Bernhard dominierten Generation des Ordens reagierte Stephan Harding durch die Berufung eines Malers, der Bilder von monumentaler Würde und Schönheit schafft und die zweite Blüte-Phase der Buchmalerei in Cîteaux prägte. Erst nach dem Tod Stephan Hardings setzte sich für eine gewisse Zeit das asketische Ideal Bernhards durch, das die Buchmalerei im Orden auf einfarbige Initialbuchstaben beschränkte.
Professor Dr. Ursula Nilgen lehrt
Kunstgeschichte an der Universität München mit dem Schwerpunkt
der Kunst des frühen und hohen Mittlalters. Ihr Hauptinteresse gilt
der Buchmalerei und ihren historischen und geistesgeschichtlichen Hintergründen.
Publikationen zur mittelalterlichen
Buchmalerei (Auswahl):
Unkostenbeitrag DM 5,--
Studierende haben bei Vorlage des Studierendenausweises freien Eintritt
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Baukunst der Zisterzienser
Prof. Dr. Dethard von Winterfeld (Mainz)
Dienstag, 1. Dezember 1998, Landesmuseum
Mainz (Große Bleiche 49)
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