Im Rahmen der Vortragsreihe

Cîteaux 1098 – 1998

Rheinische Zisterzienser im Spiegel der Buchkunst

laden das Landesmuseum Mainz
und das Studium generale zu folgendem Vortrag ein:
 

Dr. Hermann Josef Roth (Köln)
900 Jahre Zisterzienser
Dienstag, 5. Januar 1999, 18.15 Uhr
Landesmuseum Mainz (Große Bleiche 49)
 

"On the roots" würde man heute wohl eine Bewegung bezeichnen, wie sie seit dem 11. Jahrhundert Europas Jugend, und nicht nur sie, in ihren Bann schlug. Mehr oder weniger spontan bildeten sich vor allem im heutigen Italien und Frankreich Kommunen, die "zurück zur Natur" wollten und Sinnsuche betrieben. Allerdings, und da liegt ein fundamentaler Unterschied zu heute, erwartete man damals die Antwort ausschließlich vom Evangelium. Nur wenigen dieser Experimente war Dauer beschieden, darunter der Gemeinde von Cîteaux (lat. Cistercium, gegr. 1098) bei Dijon in Burgund, deren Mitglieder sich bald Zisterzienser nannten und eine neue Form des Mönchtums darstellten. Aufnahmeprozedur und Leitung eines Zisterzienser-Konventes werden beschrieben und die Gründe genannt, warum Cîteaux seine Anfangsprobleme in den Griff bekam. Der Person des Bernhard von Clairvaux gilt dabei besondere Aufmerksamkeit, zumal dieser auch im Rheinland unübersehbare Spuren hinterlassen hat. Das bauliche Konzept einer Zisterzienser-Abtei liefert ein Musterbeispiel für funktionale Architektur mit hoher ästhetischer Wirkung. Mystische Innigkeit und rationale Ökonomie begründeten den atemberaubenden Erfolg des Zisterzienser-Ordens, der hundert Jahre nach seiner Gründung ungefähr 700 Männer- und 900 Frauengemeinschaften in ganz Europa zählte. Auflagen der Ordenssatzung, Bedürfnisse des klösterlichen Alltags und landschaftliche Einflüsse brachten eine unverwechselbare Kunstrichtung hervor, die in Werken der Plastik und Malerei die architektonische Formensprache abgewandelt wiederholt. Dennoch verebbte der Elan der Gründerzeit. Auf die kritischen Fragen der Reformatoren wußte der Orden keine Antwort. Luther heiratete eine Zisterzienserin. Im Barock aber erlebten die Zisterzienser eine neue Blüte, bis Aufklärung, Revolution und Säkularisation den alten Orden praktisch auslöschten. Der Neubeginn im 19. Jahrhundert blieb nicht frei von romantischem Mißverstehen des Mittelalters. Die Nachwirkungen zwingen heute zu einer völligen Neuorientierung, deren Zukunft höchst ungewiß ist. Entscheidend wird sein, ob die tradierte Spiritualität klar erkannt und vom modernen Menschen nachvollzogen werden kann.
 

Dr. Hermann Josef Roth, Ordenshistoriker, Redakteur der Fachzeitschrift "Cistercienser-Chronik. Forum für Geschichte und Spiritualität des Mönchtums" (1973–1995). Forschungen zur gotischen Bauplastik, Siedlungsgeographie rheinischer Klöster und Klosterorte, Pflege der Naturwissenschaften und Technik bei den Zisterziensern. Verfaßte kunstgeschichtliche Monographien zu Marienstatt und Altenberg. Mitarbeit am Ausstellungskatalog.
 

Grundlegendes Schrifttum:



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