Prof. Dr. Thomas Anz (Marburg)
Leselust und Lesesucht
Dienstag, 26. Januar 1999, 17.15 Uhr,
Hörsaal N 3 (Muschel)
Im späten 18. Jahrhundert, als eine
sprunghaft angestiegene Zahl von Lesekundigen der Lust besonders an der
Romanlektüre verfiel, alarmierte dies viele Kulturkritiker gleich
einer Seuche. Wie heute ihre Nachfahren vor der Fernsehsucht, mit der wir
uns angeblich zu Tode amüsieren, so warnten sie damals unaufhörlich
vor den verderblichen Konsequenzen der Lesesucht, die der Drogensucht vergleichbar
sei. Die Pathologisierung exzessiven Lesens ist Beispiel für die historische
Relativität der Einschätzung von Suchtphänomenen. Obwohl
das Lesen nach wie vor suchtartige Merkmale haben kann, wird es heute kaum
noch für gefährlich erachtet. Und noch etwas anderes kann der
Blick auf Phänomene der Lesesucht zeigen: Von Sucht versteht man nichts,
wenn man nichts von der Lust begreift, die ihr zugrunde liegt. Worin Leselust
und ihr Suchtpotential bestehen und worin sie anderen Lüsten und Süchten
gleichen, versucht der Vortrag zu klären.
Prof. Dr. Thomas Anz, geboren 1948
in Göttingen, seit 1998 Professor für Neuere deutsche Literatur
in Marburg, vorher in Bamberg. Studium der Literaturwissenschaft, Linguistik
und Soziologie in München. 1976 Promotion, 1981/82 Feuilletonredakteur
der FAZ, 1987 Habilitation in München.
Wissenschaftliche Buchpublikationen
der letzten Jahre (Auswahl):
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Dr. Dr. h.c. Erhard Eppler
(Bundesminister a.D.)
Macht als Sucht?
Mittwoch, 10. Februar 1999, 17.15 Uhr,
N 3 (Muschel)
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