Im Rahmen des Themenschwerpunktes


Evolution


lädt das Studium generale zu folgendem Vortrag ein:


PROF. DR. CHRISTA NEUMEYER (Mainz)


Evolution des Farbensehens


Dienstag, 12. Januar 1999, 18.15 Uhr,
Hörsaal N 3 (Muschel)


Das Farbensehen des Menschen beruht auf dem Vorhandensein von drei Zapfentypen mit Photopigmenten unterschiedlicher spektraler Absorption. Mit Hilfe unseres Farbensehens können wir eine unglaubliche Vielzahl von Farbtönen, Sättigungs- und Helligkeitsstufen von Farben unterscheiden. Die Frage, wie dieses leistungsfähige trichromatische Farbensehen im Laufe der Evolution entstanden sein mag, soll zunächst, dem Vorschlag Darwins folgend, durch Vergleich mit dem Farbensehen von Tieren untersucht werden. Ob ein Tier Farbensehen besitzt, läßt sich nur in verhaltensphysiologischen Experimenten zeigen. Mit Hilfe der von Karl von Frisch in die vergleichende Sinnesphysiologie eingeführten Dressurmethode konnte das Farbensehen einiger Wirbeltierarten während der letzten 20 Jahre genauer analysiert werden. Dabei zeigte es sich, daß das Farbensehen der Säugetiere (mit Ausnahme der Altweltaffen) dem der übrigen Wirbeltiere (Fische, Amphibien, Reptilien und Vögel) in vielen Fällen deutlich unterlegen ist.
Die Evolution des Farbensehens läßt sich seit einigen Jahren auch mit molekulargenetischen Methoden untersuchen. So wurden 1986 die Gene des Menschen, die für die Ausbildung der drei Sehpigmente entscheidend sind, aufgeklärt. Wie J. Nathans (Sci. Amer. Feb. 89, S. 42) zeigen konnte, unterscheiden sich zwei der drei Gene in nur wenigen Tripletts, d.h. sie sind vor nur wenigen Millionen Jahren durch Gen-Duplikation entstanden. Im Gegensatz dazu unterscheiden sich die entsprechenden Gene, z.B. bei Fischen, beträchtlich und sind somit wesentlich älter.
Sowohl der Vergleich des Farbensehens mit verhaltensphysiologischen Methoden als auch der Vergleich der Sehpigmente mit molekulargenetischen Techniken zeigt, daß das hochentwickelte Farbensehen von Insekten, von niederen Wirbeltieren und von einem Teil der Primaten weitgehend unabhängig voneinander entstanden ist. Da die Eigenschaften dieser Farbensehsysteme und die neuronalen Grundlagen recht ähnlich sind, stellt sich die Frage nach der biologischen Bedeutung des Farbensehens und dem Selektionsdruck, der zu seiner Ausbildung geführt hat.

Prof. Dr. Christa Neumeyer ist Professorin für Zoologie im Fachbereich 21 (Biologie) der Universität Mainz.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Werner von Seelen (Bochum )

Die Evolution - Ein Prozeß zum Entwurf technischer Systeme
Dienstag, 19. Januar, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

 

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