Prof. Dr. Günter Wächtershäuser
(München)
Das Problem des Lebensursprungs und
die Zweck-Mechanismus-Kontroverse
Dienstag, 8. Dezember 1998, 18.15 Uhr,
Hörsaal N 3 (Muschel)
Das Problem des Urspungs des Lebens wird
vom methodologischen Standpunkt diskutiert als Konflikt zwischen der teleologischen
Vorgehensweise des Historikers und der mechanistischen Vorgehensweise des
Chemikers. Die Poppersche Situationslogik als Methode des historischen
Verstehens und das Poppersche Prinzip der Erklärungskraft wissenschaftlicher
Theorien führen bei gemeinsamer Anwendung auf das Problem der biochemischen
Evolution zu einer Methode der biochemischen Retrodiktion, bei der gemeinsame
Vorläuferfunktionen für verschiedene Nachfolgerfunktionen konstruiert
werden. Diese Methodologie führt in der Theorie der chemo-autotrophen
Entstehung des Lebens zu der Annahme eines Lebensursprungs in Form eines
Oberflächen-Metabolismus, bei dem die Oberflächen von Sulfidmineralien
des Eisens und Nickels als Vorläufer angesehen werden für zellulären
Einschluß, ordnende Enzymoberflächen, katalytische Metallzentren
und biochemische Reduktionsenergie. Die Eignung von Eisen-Nickel-Schwefel-Mineralien
zur Fixierung von Kohlenmonoxid, zur Bildung von Aminosäuren durch
reduktive Aminierung und zur Aktivierung von Aminosäuren für
die Peptidbildung ist experimentell belegt. Damit ergibt sich die Möglichkeit
eines Ursprungs der biologischen Reproduktion in Form einer einfachen chemischen
Rückkopplung von Peptiden auf die katalytischen Metallzentren, denen
sie ihre Entstehung verdanken. Dieses theoretisch-experimentelle Programm
strebt nach einer Erfüllung der Forderung Kants, teleologische Urteile
durch mechanistische Erklärungen zu ersetzen. Wenn uns dies gelingt,
so wird sich zeigen, daß in einer Gesamttheorie der biologischen
Evolution bei der Annäherung an den Ursprung des Lebens alle teleologischen
Begriffe, wie zum Beispiel der Begriff der Information, überflüssig
werden.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Ökonomik und Darwinismus – vermeintliche
und tatsächliche Berührungspunkte
Prof. Dr. Ulrich Witt (Jena)
Dienstag, 15. Dezember 1998, 18.15 Uhr,
N 3 (Muschel)
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