Prof. Cornelis W. Passchier, Ph.D. (Mainz)
Brechen und Biegen kristalliner Gesteine
als Frage der Zeit: Experimente und Naturbefunde
Dienstag, 30. November 1999, 18.15 Uhr
Hörsaal N 2 (Muschel)
Die Tatsache, daß Gesteine sich bewegen und deformieren, ist hauptsächlich wegen des Vorkommens von Erdbeben und Gebirgen bekannt. Erdbeben finden aber nur an der Außenseite der Erdoberfläche in der oberen Kruste statt. Auf tieferen Niveaus brechen Gesteine nicht, sondern fließen sehr langsam, ähnlich wie Eis in einem Gletscher. Solche Bewegungen sind an der Geschwindigkeit der Plattenbewegung zu sehen. Ein Kubikkilometer Gestein verlängert oder verkürzt sich zum Beispiel um maximal 1 mm pro Jahr. Aber in 1 Million Jahren – eine kurze Zeit in der Erdgeschichte – bilden solche Bewegungen kilometergroße Strukturen. Im Laufe der Zeit entstehen so Gebirge, und Kontinente bewegen sich über Tausende von Kilometern.
Unser Wissen über Gesteinsdeformation basiert auf Beobachtungen am Gestein im Gelände und im Labor. Deformationsexperimente an fließendem Gestein sind aber nur beschränkt möglich, da die niedrige Geschwindigkeit der Gesteinsdeformation im Labor nicht direkt nachvollziehbar ist, und so können nur kleine Strukturen analysiert werden. Es konnte jedoch festgestellt werden, daß sich Gesteine durch Drucklösung oder durch Kristalldefekte bewegen können. Darüber hinaus gibt es Möglichkeiten, das Fließen von Gesteinen mit Hilfe von numerischen Experimenten und solchen mit sogenannten Analogmaterialien zu untersuchen.
Gesteine haben meistens eine sehr lange
und komplizierte Geschichte, bis über Milliarden von Jahren. In vielen
Fällen "speichert" das Gestein diese Geschichte in der bewahrt gebliebenen
internen Struktur. Es ist möglich, diese Geschichte in deformierten
Gesteinen zu "lesen" und auf diese Weise die Gebirgsbildung und Plattenbewegungen
von vor Hunderten von Millionen Jahren, bevor unsere jetzigen Kontinente
existierten, zu rekonstruieren.
Prof. Dr. Cornelis W. Passchier
ist seit 1993 Professor für Tektonophysik an der Johannes Gutenberg-Universität
Mainz. Er studierte an der Universität Leiden und promovierte 1982
an der Universität von Amsterdam. Von 1982 bis 1993 arbeitete er in
verschiedenen Forschungsprojekten an den Universitäten von Wales und
Utrecht. Sein Hauptinteresse gilt der Mikrotektonik und der Prekambrischen
Geologie.
Literatur (Auswahl): C.W. Passchier
& R.A.J. Trouw: Microtectonics (Springer Verlag). – W. Frisch &
J. Loeschke: Plattentektonik (Wb Darmstadt). – Weitere Hinweise unter:
http://www.uni-mainz.de/FB/Geo/Geologie/tecto/
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Stefan H. Dürr (Mainz)
Gebirgsbildung/Orogenese – orogene
und an-orogene Zeiten der Erde
Dienstag, 7. Dezember 1999, 18.15 Uhr,
N 2 (Muschel)
Mail an Internet-Beauftragten Holger Köhler | Übergeordnete Seite |