Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Géza Alföldy
(Heidelberg)
Römische Inschriften – Medien
einer Massenkultur?
Dienstag, 2. November 1999, 18.15 Uhr,
Hörsaal N 3 (Muschel)
Auf dem Gebiet des Römischen Weltreiches sind mehr als 300 000 lateinische (und auch viele griechische) Inschriften erhalten geblieben. Ihre ursprüngliche Zahl muß um ein Vielfaches höher gewesen sein. Diese Texte gehörten zu Bauwerken, Weihedenkmälern, Ehrenstatuen, Grabanlagen usw. Sie sprachen unmittelbar diejenigen an, die lesen konnten; sie verkündeten ihre Botschaft zumeist in einer kurzen, einprägsamen Form. Durch ihren äußeren Glanz und die Zusammengehörigkeit vonText und Monument erweckten die Inschriften sogar die Aufmerksamkeit von Analphabeten (besonders wichtige Texte wurden einem breiteren Publikum wohl nicht selten von Sachkundigen erläutert). In einer Welt ohne Presse, Rundfunk und Fernsehen hatten sie z. T. eine ähnliche Aufgabe wie diese.
Ein solches Medium bot den Eliten geeignete
Möglichkeiten für ihre Selbstdarstellung. Entsprechend der Struktur
der aristokratischen Gesellschaft der Römer, in der sich viele Angehörige
niederer Volksschichten – vor allem soziale Aufsteiger – an den Wertvorstellungen
und Verhaltensweisen der Eliten orientierten, fanden deren Praktiken der
Selbstdarstellung in breiten Kreisen Nachahmung. Auch viele "kleine Leute"
strebten danach, ihren Namen, ihren Status, ihre Leistungen und somit ihre
Rolle in der Gesellschaft zur Schau zu stellen. Die "epigraphische Kultur"
der Römer war somit eine Art "Massenkultur" und trug nicht nur zur
Verbreitung der lateinischen Schrift und Sprache, sondern auch zur Erziehung
breiter Volksmassen nach römischen Idealen bei.
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Géza
Alföldy, geb. 1935, ist Professor für Alte Geschichte an
der Universität Heidelberg. Er ist Träger des Gottfried Wilhelm
Leibniz-Preises, des Max Planck-Preises und weiterer Preise. Er ist Mitglied
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und zahlreicher ausländischer
Akademien.
Publikationen des Referenten zum Thema:
Dienstag, 16. November 1999, 18.15 Uhr,
Hörsaal N 3 (Muschel)
Dr. Peter Kemper (Frankfurt/M.)
Vom Protest zum Spaß – Wandlungen
der Jugendkultur
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