Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessor im Jahr 2003:

Wolfgang Frühwald
Die zweite Evolution:
Biowissenschaftlicher Fortschritt
und der Wandel des Menschenbildes


In Wissenschaft und Wissenschaftsorganisation nimmt er eine herausragende Stellung ein:
Professor Wolfgang Frühwald ist Inhaber der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur der "Freunde der Universität Mainz e.V." im Jahr 2003.
Der ehemalige Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und heutige Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung
lehrt als Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Er wird in seiner Vorlesungsreihe eine aktuelle Fragestellung von wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Brisanz erörtern:
Mit dem Thema "Die zweite Evolution: Biowissenschaftlicher Fortschritt und der Wandel des Menschenbildes" schlägt Frühwald die Brücke zwischen den Natur- und den Geisteswissenschaften und bietet dem Diskurs über eines der wichtigsten Themenfelder unserer Zeit ein Forum.

Als Nachfolger von Fritz Stern, Bert Hölldobler und Hans-Dietrich Genscher wird somit erneut ein Gastprofessor von internationaler Bedeutung nach Mainz kommen: "Der vierte Inhaber der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur, Professor Wolfgang Frühwald, setzt ein intellektuelles Glanzlicht, indem er fächerübergreifend aktuelle Problemstellungen analysiert, neue Einsichten vermittelt und nach den Konsequenzen für Wissenschaft und Gesellschaft fragt", freut sich der Vorsitzende der "Vereinigung der Freunde", Dr. Hans Friderichs. "Mit solchen Veranstaltungen bietet die Universität Orientierungshilfen auf dem Weg durch das 21. Jahrhundert und wird so ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht."

 

Die zweite Evolution: Biowissenschaftlicher Fortschritt und der Wandel des Menschenbildes

Vorlesungsreihe mit Kolloquium

Neu: Live-Übertragung der Veranstaltung im Internet

Professor Frühwald wird in seine Vorlesungsreihe, die an zehn Abenden während des Sommersemesters 2003 stattfindet, auch renommierte Gäste einbeziehen. Die Darlegungen und Analysen befassen sich mit den Fortschritten der Lebenswissenschaften und ihren Folgen sowohl für die Gesellschaft als auch für jeden einzelnen Menschen. Spätestens seit im November 2002 der Versuch der UNO gescheitert ist, eine weltweit gültige Konvention zum Verbot der Klonierung von Menschen zu schließen, ist deutlich geworden, dass diese Debatte auch in den kommenden Jahren die Schlagzeilen der Medien beherrschen wird. Die Stichworte lauten: Embryonen-Verbrauch, Präimplantations-Diagnostik, Gen-Test, therapeutische und reproduktive Klonierung des Menschen, Veränderung des Menschenbildes.

Die gesamte Debatte lässt sich mit dem Begriff der "zweiten Evolution" zusammenfassend kennzeichnen, weil mit der Möglichkeit des menschlichen Eingriffs in das Erbgut des Lebens eine Evolutions-Beschleunigung grundgelegt ist, deren Folgen für die Entwicklung der Menschheit kaum zu überschätzen sind. Die biologische Evolution, das heißt die Entwicklung der Artenvielfalt des Lebens und die Entstehung immer komplexerer Organismen in einem Jahrmillionen dauernden Prozess, ist also in eine zweite Phase eingetreten. In ihr ist es dem Menschen gelungen, uralte in Märchen, Sagen und Legenden bewahrte Menschheitsträume zu verwirklichen und in das Innere des Lebens ebenso einzudringen wie in das Innere der Materie.

Die Vorträge werden in die skizzierte Problematik des Menschen, seines Leibes und seiner Bilder von sich selbst, von der Natur und ihres Schöpfers einführen. Sie werden die faszinierende und uns alle (wörtlich: an Leib und Leben) betreffende Geschichte der modernen Lebens- und Neurowissenschaften in Bezug setzen zum sozialen Wandel der Gegenwart. Sie wird dabei auch die Rolle der Sprache bedenken, die sich aus der Existenzdeutung des Menschen zurückzuziehen scheint, um das Feld dem Experiment und der Visualisierung komplexer, auch formelsprachlich nicht mehr fassbarer Zustände, zu überlassen. Sie wird schließlich nach der Rolle der Literatur in diesem Diskurs fragen, nach den von ihr gezeichneten Angstfiguren, nach ihrer Position im Diskurs um die Chancen einer - wie Hans Magnus Enzensberger sagte - "Wissenschaft, die wir achten und mit der wir leben können".