Das Institut für Ethnologie und Afrika-Studien,
die Forschungsstätte Evangelische Studiengemeinschaft (Heidelberg),
der Interdisziplinäre Arbeitskreis Dritte Welt
und das Studium generale

laden zu folgender Veranstaltung ein:

 
Soziologie der Dekolonisation Afrikas – eine rückblickende Analyse
Symposium zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Gerhard Grohs
Freitag, 25. Juni 1999, 13.30 – 19.00 Uhr
Samstag, 26. Juni 1999, 9.00 – 13.00 Uhr
Sitzungssaal Recht und Wirtschaft (3. Stock)

 

Freitag, 25. Juni 1999

 
13.30–14.00 Prof. Dr. Thomas Bierschenk Begrüßung (Universität Mainz), PD Dr. Dieter Neubert Einleitung  (Universität Hohenheim)

 
14.00–15.00 Tansania

Dr. Achim von Oppen Jenseits von Ujamaa – Zur Soziologie   (Zentrum Moderner Orient, Berlin) der Dekommunalisierung

Prof. Dr. Gerhard Grohs Dekolonisation in Tansania

(Mainz/München) Rückblick und Neubewertung

 

15.00–15.30 Kaffeepause

 
15.30–16.30 Uganda

Prof. Dr. Dirk Berg-Schlosser Uganda – neokoloniale Abhängigkeit

(Universität Marburg) oder endogene Machtpolitik?

Prof. Dr. Ute Luig Dekolonisation in Afrika –

(FU Berlin) Rückblick und Neubewertung

 

16.30–17.30 Ghana Prof. Dr. Carola Lentz "The time when politics came":

(Universität Frankfurt/M.) Ein politikethnologischer Blick auf die Dekolonisation Ghanas

Prof. Dr. Rainer Tetzlaff Dekolonisation in Ghana –

(Universität Hamburg) Rückblick und Neubewertung

 

18.00 Laudatio anschl. Empfang

 

Samstag, 26. Juni 1999

 
9.00–10.00 Kongo-Brazzaville

Prof. Dr. Ivan Varga Dekolonisation? Rekolonisation?
(Queen’s University, Kingston/Kanada) Selbstkolonisation? Der Fall Kongo-Brazzaville

Dr. Anna-Maria Brandstetter Dekolonisation in Kongo

(Universität Mainz) Brazzaville –

Rückblick und Neubewertung

 

10.00–11.00 Sambia Prof. Dr. Peter Meyns Perzeptionen der Dekolonisation

(Universität Duisburg) und Phasen nachkolonialer Entwicklung in Sambia

 

11.00–11.30 Kaffeepause

 
11.30–12.30 Schlußdiskussion

Dr. Heribert Weiland Zwei Jahrzehnte später:

(Arnold-Bergsträsser-Institut, Freiburg) Die Dekolonisation Namibias. Alter Wein in neuen Schläuchen?
Dr. Andreas Eckert Einleitungsstatement

(Zentrum Moderner Orient, Berlin)

Prof. Dr. Volkhard Hundsdörfer Einleitungsstatement

(FH Hamburg)

 
 
Dr. Achim von Oppen (Berlin)

Jenseits von Ujamaa – Zur Soziologie der Dekommunalisierung

1973, als der hier rückblickend zu betrachtende Beitrag von Gerhard Grohs erschien, stand die "Villagisations"-Kampagne in Tanzania vor ihrem Höhepunkt. Die landesweite Bildung neuartiger Dorfgemeinschaften sollte ein Kernstück sozialer Dekolonisation, ökonomischer Entwicklung und politischer Partizipation sein, auf das sich damals – auch seitens der beiden Autoren – große Hoffnungen richteten. Mit der bald folgenden Ernüchterung unter Betroffenen wie Beobachtern wurde deutlich, daß sich die Veränderung lokaler Produktionsverhältnisse auch in stark peripheren Ländern nicht im Handstreich, sondern nur über vielfältige historische Prozesse und Akteure vollzieht. Darüber hinaus begann ein Aufbruch aus dem staatlich verordneten Paradigma der Gemeinschaftlichkeit (Ujamaa), unter dem es zunehmend schwerer wurde, reale Interessengegensätze, etwa um Landesrechte, aushandelbar zu halten. Allerdings könnten sich die damals oktroyierten dörflichen Institutionen heute als wichtige Foren der Mediation und Konfliktlösung auf lokaler Ebene erweisen. Dies gilt umso mehr, als lokale Akteure damit beginnen, ihrerseits neue, eher partikularistische Vergemeinschaftungen zu bilden.

 
Prof. Dr. Carola Lentz (Frankfurt/M.)

"The time when politics came": Ein politikethnologischer Blick auf die Dekolonisation Ghanas

In jüngerer Zeit haben verschiede Afrikahistoriker und -ethnologen die konventionell dichotomisierenden, homogenisierenden und letztlich eurozentrischen Perspektiven auf den Kolonialismus und die damit verbundenen Mythen von "Opfern", "Widerstand" und "Kollaboration" kritisch beleuchtet. Im Mittelpunkt stehen heute die regional differenzierte Erforschung der komplexen Interaktion verschiedener europäischer und afrikanischer Akteure, die kulturellen Dimensionen des Kolonialismus und lang übersehene Prozesse der "longue durée". Dieser Perspektivenwechsel hat auch Folgen für den Blick auf die Dekolonisation. Dependenztheoretische Paradigmata mit ihren klassentheoretischen Begrifflichkeiten und a-priori-Modellen von "Emanzipation" erweisen sich als unzureichend, wenn nicht hinderlich für ein umfassendes Verständnis der nachkolonialen Transformationsprozesse. Am Beispiel Nordghanas sollen die Komplexität der Umgestaltung der lokal- und regionalpolitischen Arenen skizziert und neue Forschungsperspektiven erörtert werden.

 
Prof. Dr. Ivan Varga (Kingston/Kanada)

Dekolonisation? Rekonolisation? Selbstkolonisation? Der Fall Kongo-Brazzaville

In dem Beitrag werden folgende Themenbereiche untersucht:

 
Prof. Dr. Peter Meyns (Duisburg)

Perzeptionen der Dekolonisation und Phasen nachkolonialer Entwicklung in Sambia

Sambias nachkoloniale Entwicklung kann in drei Phasen eingeteilt werden, nämlich die 1. Republik – ein Mehrparteiensystem, die 2. Republik – ein Einparteiensystem und die 3. Republik – erneut ein Mehrparteiensystem. Diese politische Phaseneinteilung kann man auch stärker ökonomisch ausrichten: die erste Phase wäre dann durch ein privatkapitalistisches System charakterisiert, die zweite durch ein "staatskapitalistisch-humanistisches" und die dritte erneut durch ein privatkapitalistisches System. Die zeitlichen Einschnitte decken sich nicht vollständig, aber die Parallelität ist dennoch auffällig.

Wohlmuths aus der theoretischen Perzeption eines strukturalistischen, dependenztheoretischen Ansatzes geschriebener Aufsatz behandelt die Entwicklung Sambias bis zum Ende der 1. Republik. Rückblickend betrachtet ist dies die goldene Periode der nachkolonialen Geschichte Sambias, in der die Grundlage für das hohe Ansehen gelegt wurde, das Sambia bis weit in die 80er Jahre hinein regional und international genossen hat, und das sein langjähriger Präsident Kaunda auch heute noch weithin genießt. Wohlmuth spricht von einer "gescheiterten Dekolonisation" und führt dafür gute Gründe an.

Dennoch möchte ich aus heutiger Sicht und einer nicht vornehmlich strukturalistischen, sondern stärker akteursbezogenen Perzeption fragen, ob die dependenztheoretische Bewertung noch Bestand hat. Zum einen scheint mir die Frage nach der gesellschaftlichen Alternative relevant zu sein, die damals mangels konkreter Erfahrungen in Afrika nur abstrakt postuliert werden konnte (Sozialismus). Heute liegen Beispiele einer radikaleren – Wohlmuth spricht sogar von einer "totalen" – Dekolonisation (Angola, Mosambik) vor, die eine vergleichende Analyse ermöglichen. Zum anderen möchte ich die Handlungsmotivationen und -optionen gesellschaftlicher Akteure (nationale Bourgeoisie, Gewerkschaften) aufgreifen. Vor allem die Gewerkschaften, die ohne Frage ständigen Kooptationsbestrebungen der herrschenden Elite unterworfen worden sind, haben in der sambischen Entwicklung bis heute eine Rolle gespielt, die durchaus vielschichtig gewesen ist. Wir überfrachten vermutlich den Begriff der 'Dekolonisation', wenn wir von ihm die Lösung aller gesellschaftlichen Widersprüche erwarten.


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