Prof. Dr. Lieselotte E. Saurma-Jeltsch
(Heidelberg)
Gemalte Visionen – die Miniaturen des
Rupertsberger Scivias-Codex
Mittwoch, 28. April 1999, 19.30 Uhr
Institut für Kunstgeschichte, Binger
Straße 26
Nur zwei illustrierte Handschriften des
Liber Scivias der Hildegard von Bingen, dem ersten ihrer drei großen
Visionswerke, sind uns erhalten. Der wahrscheinlich im Rupertsberger Scriptorium
geschriebene Codex, der hier behandelt werden soll, könnte noch zu
Lebzeiten Hildegards entstanden sein. Daß seine Miniaturen, die aus
dem Manuskript eine der bedeutendsten Prunkhandschriften des 12. Jahrhunderts
gemacht haben, mit ihren verschlüsselten Inhalten und den ungewöhnlichen
Formen den Eindruck erwecken wollen, es handle sich hier um unmittelbar
niedergelegte Visionen, ist offensichtlich: Sie übermitteln auch heute
noch den Einruck des Wunderbaren und Einmaligen.
In dem Vortrag wird angestrebt zu zeigen, daß die Bilder nicht Produkt eines unmittelbaren Einfalls oder einer direkt erfahrenen Schau sind, sondern im Gegenteil Frucht einer außergewöhnlich komplizierten und präzisen Planung. Mit einer Vielfalt von innerbildlichen Anspielungen führen sie uns immer wieder zum Text zurück und versuchen zugleich, eine im Vergleich zu diesem eigenständige Systematisierung und Gliederung zu schaffen. Da der Stil der Miniaturen eine Entstehungszeit nach Hildegards Wirken in die 30er Jahre des 12. Jahrhunderts nahelegt, drängt sich die Frage auf, ob und wie weit die Bildinhalte mit Hildegards Intention übereinstimmen.
Prof. Dr. Lieselotte E. Saurma-Jeltsch
ist geboren und aufgewachsen in Basel und hat dort auch das Studium abgeschlossen.
Nach Professuren in München und Frankfurt seit 1995 Ordinaria für
mittelalterliche Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg. Schwerpunkte
der Forschung bilden mittelalterliche Handschriften und ihre Illustrationen.
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