Prof. Dr. Fritz Graf (Basel)
Mythos und Magie
Vom Charisma unserer Kategorien
Mittwoch, 19. Mai 1999, 17.15 Uhr
Hörsaal N 3 (Muschel)
In der Gegenwart verhalten sich Mythos und Magie in Alltagssprache und wissenschaftlichem Diskurs spiegelverkehrt: die Alltagssprache wertet Mythos ab, Magie auf; die Wissenschaft hält sich an den Mythos, hat ihre Ängste der Magie gegenüber. Ein Blick in die Antike zeigt, wie beide Termini als polemische Kategorien in der sophistischen Aufklärung des fünften Jahrhunderts v. Chr. in der rationalistischen Auseinandersetzung mit der Tradition entstanden sind; die Verkeh-rung der Wertungen ist eine Folge der geistes- und wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklungen der jüngeren Neuzeit. Die damit gemeinten Realitäten sind freilich in der griechisch-römischen Religion nicht nur älter, sie durchdringen sich auch gegenseitig: Mythen berichten von magi-schen Riten, ja begründen sie recht eigentlich, und magische Formeln wenden mythische Erzäh-lungen (sog. historiolae) zur Effizienzsteigerung an.
Prof. Dr. Fritz Graf, Ordinarius
für Lateinische Philologie und Religionen des antiken Mittelmeerraumes
an der Universität Basel, ab Herbst 1999 Professor für Klassische
Philologie mit besonderer Berücksichtigung von Religion und Magie
an der Universität Princeton (USA).
Forschungsgebiete: Griechische
und Römische Religion, insbesondere Riten und Feste; Forschungs- und
Rezeptionsgeschichte der Antike.
Publikationen des Referenten (Auswahl):
Eleusis und die orphische Dichtung Athens
in vorhellenistischer Zeit, Berlin/New York 1974. – Nordionische Kulte.
Religionsgeschichtliche und epigraphische Untersuchungen zu den Kulten
von Chios, Erythrai, Klazomenai und Phokaia, Rom 1985. – Griechische Mythologie.
Eine Einführung, München/Zürich 1985 (4. Auflage 1996, ital.
1987, engl. 1994). – La magie dans l’Antiquité gréco-romaine.
Idéologie et pratique, Paris 1994 (ital. 1995, deutsche Neufassung:
Gottesnähe und Schadenzauber. Die Magie in der griechisch-römischen
Antike, München 1996, engl. 1997). – Mythos in mythenloser Gesellschaft.
Das Paradigma Roms, Stuttgart 1993 (Colloquium Rauricum, Bd. 3).
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Mittwoch, 9. Juni 1999, 17.15 Uhr, N 3
(Muschel)
Prof. Dr. Emil Angehrn (Basel): Chaos
und Ordnung. Zur Philosophie des Mythos
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