MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE

Im Rahmen des Themenschwerpunktes

Umgang mit dem Mythos

lädt das Studium generale zu folgender Veranstaltung ein:
 

Prof. Dr. mult. Raimon Panikkar (Barcelona)
Mythos im interreligiösen Gespräch

Vortrag mit anschließender Podiumsdiskussion,
unter Mitwirkung von Dr. Gotthard Fuchs und Prof. Dr. Ram A. Mall
Donnerstag, 6. Mai 1999, 18.15 Uhr
Hörsaal N 3 (Muschel)



"Der Mythos ist nicht Gegenstand des Denkens, noch ist er Nahrung für das Denken. Vielmehr reinigt er das Denken, er geht am Denken vorbei, damit das Ungedachte auftauchen und der Vermittler verschwinden möge. Der Mythos ist das heilsame Fasten des Denkens, er befreit uns von der Bürde, alles ausdenken und durchdenken zu müssen, und so öffnet er den Bereich der Freiheit ..." So heißt es programmatisch in einer Arbeit, in der Panikkar vor 20 Jahren im Sinne einer zweiten Naivität und interreligiösen Aufklärung die "Rückkehr zum Mythos" empfahl. Gemeint sind damit hintergründige Lebens- und Deutungszusammenhänge sowie Vorverständnisstrukturen, die – im wechselseitigen Hören der Menschen, Kulturen und Religionen aufeinander – allererst Verständigung und Dialog möglich machen. Der erfahrene Grenzgänger zwischen östlicher und westlicher Spiritualität, der seit Bultmanns Entmythologisierungsdebatte nunmehr über 50 Jahre im wissenschaftlichen Gespräch der Religionen steht, sieht einen engen Zusammenhang zwischen derart aufgeklärtem Mythos-Bewußtsein und der allseits dringend gebotenen wie erwünschten Toleranz weltweit. Je klarer die jeweils lebensführenden und erkenntnisleitenden Mythen in ihrem jeweiligen Dialekt sich artikulieren (können), desto produktiver kann die in versöhnter Verschiedenheit aufgegebene Deutung der Religionen sein, um jenen "Dreiklang der Wirklichkeit" zu retten und zum Klingen zu bringen, der Panikkars kosmotheandrischer Gesamtvision zugrunde liegt. "Ich bin als Christ gegangen, ich habe mich als Hindu gefunden, und ich kehre als Buddhist zurück, ohne doch aufgehört zu haben, ein Christ zu sein" – so lautet bezeichnend die Summe seines bisherigen Lebens- und Denkweges zwischen den Religionen und Kulturen. Welche Mythen also haben Zukunft? Nach der thematischen Einführung von R. Panikkar liegt der Schwerpunkt der Veranstaltung auf dem Gespräch mit Prof. Dr. Ram A. Mall, Präsident der internationalen "Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie" und dem Theologen und Mystikforscher Dr. Gotthard Fuchs, dem langjährigen Direktor der Katholischen Akademie Rabanus Maurus.

Prof. Dr. mult. Raimon Panikkar, 1918 als Sohn eines indischen Vaters und einer spanischen Mutter geboren, studierte Chemie in Deutschland (Promotion), Philosophie an der Universität Madrid (Promotion) und katholische Theologie in Rom (Promotion). Er lehrte an den Universitäten von Madrid, Rom, Cambridge und Harvard sowie an den Universitäten Mysore und Varanasi in Indien, wo er 15 Jahre lang wirkte. Er ist emeritierter Professor für Religionsphilosophie der University of California, Santa Barbara, wo er von 1971 bis 1978 lehrte.
 

Publikationen des Referenten (Auswahl):

Rückkehr zum Mythos, Frankfurt a. Main 1985. – Der unbekannte Christus im Hinduismus, Mainz 1986. – Der neue religiöse Weg. Im Dialog der Religionen leben, München 1990. – Gottes Schweigen. Die Antwort des Buddha für unsere Zeit, München 1992. – Trinität. Über das Zentrum menschlicher Erfahrung, München 1993. – Den Mönch in sich entdecken, München 1994. – Der Weisheit eine Wohnung bereiten, München 1994. – Der Dreiklang der Wirklichkeit, Salzburg 1995. – Entre Dieu et le cosmos. Entretiens avec Gwendoline Jarczyk, Paris 1998. – Iconos del misterio. La experiencia de Dios, Barcelona 1998.
 

Nächste Veranstaltung in dieser Reihe:
Freitag, 7. Mai 1999, 9.15 Uhr bis ca. 18 Uhr, Atrium maximum (Alte Mensa): Mythos heute
Interdisziplinäre Tagung im Rahmen der Mainzer Universitätsgespräche


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