Im Rahmen des Themenschwerpunktes

Erinnern und Vergessen

lädt das Studium generale zu folgendem Vortrag ein:
 
 
Prof. Dr. Manfred Kropp (Mainz)
Das gute alte Recht.
Vergessene Geschichte – rekonstruierte Vergangenheit in Äthiopien
Montag, 10. Mai 1999, 18.15 Uhr,
Hörsaal N 3 (Muschel)

 
Die orale Rechtskultur des vormodernen christlichen Äthiopien vertraute dem Gedächtnis bestimmter Personengruppen die Bewahrung des Gesetzes an. Auf der Ebene der regionalen Unionen freier Gemeinden waren dies die Ältesten bestimmter Dörfer. Dabei gab es eine Aufgabenteilung zwischen der Erinnerung an den Gesetzestext (wag) und der Erinnerung an Präzedenzfälle und Entscheidungen (tarik = Geschichte). Trägt schon diese Aufteilung Elemente der Rechtsfortbildung nach den Erfordernissen der Zeit in sich, so werden diese verstärkt durch den bewußten Verzicht auf (ausführliche) schriftliche Form. Diese wurde oft erst von Kolonialherren erzwungen und bedeutete das Ende dieser spezifischen Rechtskultur.

In der Tat steht dahinter die – gleich auf welchen Wegen gewonnene – richtige Erkenntnis, daß den wechselnden Verhältnissen der menschlichen Gemeinschaft nicht der starre Buchstabe, sondern nur das selektive, elastische menschliche Gedächtnis gerecht werden kann.

In der Sphäre des königlichen Rechts tritt die Schriftlichkeit subsidiär schon früher und in eigener Entwicklung auf. Ein besonderer Fall solch früher Verschriftung des Rechts im Mittelalter soll vor dem Hintergrund der sonst allgemein herrschenden oralen Rechtskultur dargelegt und bewertet werden.

 
Prof. Dr. Manfred Kropp ist Professor für Islamwissenschaft und Semitistik am Seminar für Orientkunde der Johannes Gutenberg Universität Mainz.

 
Nächster Vortrag in dieser Reihe:

Montag, 17. Mai 1999, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)
PD Dr. Gabriele Lucius-Hoene (Freiburg i.Br.)
Erinnern und Vergessen bei Hirnschäden


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