Nach 1945 gab es "Risikobiographien", deren Problematik nicht in einer ungewissen Zukunft, sondern in der nicht vergehenden Vergangenheit bestand. Die sogenannten "Namenswechsler" (oder Braun-Schweiger) haben sich diesem Risiko durch Lüge und Betrug entzogen und, in der Regel in diskreter Verschwiegenheit, ein neues Leben für sich und andere inszeniert. Ein spektakulärer Fall von Namenswechsel wird am Beispiel des ehemaligen SS-Ahnenerbe-Funktionärs Hans Schneider erläutert, der nach dem Krieg unbehelligt als Hans Schwerte lebte und eine erfolgreiche Karriere begann – im anderen, linksliberalen Lager. Von den möglichen Lehren aus dieser Einzelvergangenheit werden, auch anhand anderer biographischer Konstruktionen, Schlußfolgerungen auf die "Zukunft der Vergangenheit" im Generationenverhältnis gezogen.
Prof. Dr. Claus Leggewie, geb.
1950, lehrt Politikwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen
und als Fellow am Remarque Institute der New York University.
Publikationen des Referenten:
Sein letztes Buch, eine zeitgeschichtliche Biographie, beschäftigt sich mit dem "Fall Schwerte" und der kollektiven Biographie seiner Altersgruppe: "Von Schneider zu Schwerte. Das ungewöhnliche Leben eines Mannes, der aus der Geschichte lernen wollte". München 1998 (Hanser Verlag).
Ferner erschien "Mitleid mit Doktorvätern. Wissenschaftsgeschichte in Biographien" (Merkur 6/1999).
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Montag, 5. Juli 1999, 18.15 Uhr, Hörsaal
N 3 (Muschel)
Dr. Anna-Maria Brandstetter (Mainz)
Ethnische Identität, kollektives
Gedächtnis und historische Imagination in Ruanda
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