...1919 im hessischen Alzey geboren und
aufgewachsen, verlaufen die ersten Lebensahre der Lore Walb unspektakulär.
Wie so viele damals wird sie ganz im Geiste des Nationalsozialismus erzogen...
Nichts am Nationalsozialismus stellt sie in Frage, bis zum bitteren Ende
blendet sie alles aus ihrem Bewußtsein aus, was nicht in ihr Weltbild
paßt. Gegen Ende des Krieges, dessen Elend sie allein auf deutscher
Seite wahrnimmt, schlüpft sie dann übergangslos in die klagende
Rolle derer, die "dank Hitler alles opfern mußten".
Der Lore von heute ist dies unbegreiflich, ja unerträglich. "Die Alte kann sich in die Junge nicht mehr hineinversetzen." Schlimmer noch: Es quält, bedrückt und beschämt sie. "Was gäbe ich darum", sagt sie, konfrontiert mit ihrem rassistischen Dünkel, ihrem Gerede von "Untermenschen", "wenn ich diese Worte, diese Gesinnung nicht in meinem Tagebuch dokumentiert fände." Fassungslos liest sie ihre vor Deutschtümelei und hohlem Pathos strotzenden Schulaufsätze von damals – natürlich allesamt bestens benotet. Erschüttert nimmt sie ihre Begeisterung für Hitler und uneingeschränkte Zustimmung zu seiner Ideologie wahr.
Aber Lore Walb geht nun den einmal beschrittenen Weg weiter. Schonungslos stellt sie sich ihrer Vergangenheit, so weh es auch tut, bekennt sich ausdrücklich zu ihrem Versagen und ihrer Schuld und übernimmt die volle Verantwortung...
Eine ehrliche und mutige Auseinandersetzung! "Das Geheimnis der Versöhnung", so das Fazit der Autorin, "heißt Erinnerung."
Gisela Heitkamp in: Die Zeit vom 21.03.1997.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Peter Reichel (Hamburg)
Der Denkmalstreit. Zur Debatte um das
zentrale Holocaust-Mahnmal
Montag, 3. Mai 1999, 18.15 Uhr,
Hörsaal N 3 (Muschel)
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