Literatur ist ein wichtiges Medium der
Erinnerung; gleichzeitig thematisiert sie aber in vielfältiger Weise
auch das Vergessen. Die Hochschätzung des Gedächtnisses geht
mit der Erfindung des Buchdruckes zurück – was zwischen zwei Buchdeckeln
aufgehoben ist, kann nachgeschlagen, muß deshalb nicht erinnert werden.
Das 17. und das 18. Jahrhundert sehen Denkfähigkeit und Gedächtnisleistung
gar als Gegensätze. Vergeßlichkeit wird zur liebenswürdigen
Schrulle bedeutender Denker. Privates und öffentliches Gedächtnis
verschränken sich im Totengedenken, wobei das öffentliche Ritual
die private Trauer einrahmt und dadurch das Vergessen erleichtert. Verjährung
und Amnestie sind Formen öffentlichen Vergessens und dienen dem Rechtsfrieden.
Aber bestimmte Verbrechen, vor allem Völkermord, sind – wiederum zur
Wahrung des Rechtsfriedens – von dieser Wohltat ausgenommen.
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Harald Weinrich,
geb. 1927, ist nach Professuren in Kiel, Köln, Bielefeld und München
jetzt Professor für Romanistik am Collège de France, Paris.
Publikationen des Referenten zum Thema:
Montag, 21. Juni 1999, 18.15 Uhr, Hörsaal
N 3 (Muschel)
Prof. Dr. Hans T. Siepe (Mainz)
História und Memorial
– Fiktionen der Erinnerung bei José Saramago
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