MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE

Im Rahmen des Themenschwerpunktes

Nibelungen – Geschichte und Geschichten

lädt das Studium generale zu folgender Veranstaltung ein:
 

Prof. Dr. Jürgen Oldenstein (Mainz)

Die Burgunder am Rhein? Eine archäologisch offene Frage

(mit Lichtbildern)

Mittwoch, 8. November 2000, 17.15 Uhr
Hörsaal N 3 (Muschel)

Wer kennt sie nicht, die Heldinnen und Helden der Nibelungensage Brunhild und Kriemhild, Gunther und Siegfried und nicht zuletzt den finsteren Hagen von
Tronje mit seinem Begleiter, dem Ritter und Spielmann Volker von Alzey? Ewiges Angedenken haben sie durch die Verse des Nibelungenliedes erfahren, das um
1200 n. Chr. in schriftlicher Form abgefaßt wurde. – Die dort erzählte Geschichte spielte sich allerdings ca. 773 Jahre früher ab, nämlich 436/437 n. Chr. Zu dieser
Zeit wurden burgundische Verbündete Roms, die sich unter ihrem König Gundicarius nach Gallien zu einem Plünderungszug aufgemacht hatten, vom
Reichsfeldherrn Aëtius und seinen hunnischen (römischen) Eliteregimentern vernichtend geschlagen. 20 000 Burgunder sollen bei dieser Gelegenheit gefallen
sein. Dies kann man der zeitgenössischen Überlieferung entnehmen, die sich im Gegensatz zum Nibelungenlied allerdings mehr als knapp darstellt. Zwei bis drei
Halbsätze aus dem Werk Olympiodors und der gallischen Chronik sind mehr oder weniger alles, was wir aus der spätantiken Literatur zu »der Nibelunge nôt«
wissen. Allerdings ist es diese knappe Überlieferung, die den historischen Kern der mittelalterlichen Nibelungensage bildet. Die von der DFG finanzierten
Ausgrabungen, die von 1981 bis 1987 im spätantiken Kastell von Alzey stattfanden, lieferten einige neue Anhaltspunkte zur Frage, ob die Burgunder am Rhein
gesiedelt haben und ob sie tatsächlich in Worms ihren Königssitz hatten. Lange Zeit hat man geglaubt, daß das Lager von Alzey schon um 400 von Germanen
zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde. Die neuen Grabungen haben aber eindeutig gezeigt, daß das Kastell bis über die Mitte des 5. Jahrhunderts besetzt
gewesen ist. – Sollte sich hinter dem Spielmann Volker von Alzey ein spätrömischer Festungskommandant verbergen, sollte der Hunnenkönig Etzel des
Nibelungenliedes gar eine Zwittergestalt sein, hinter der sich der Reichsfeldherr Aëtius und sein großer Gegenspieler, der Hunnenkönig Atilla, verbergen?

Prof. Dr. Jürgen Oldenstein, geb. 1947 in Düsseldorf, Studium der Provinzialrömischen Archäologie, der Vor- und
Frühgeschichte und der Alten Geschichte in Frankfurt und München, 1974 Promotion in Frankfurt. 1975–1979
wiss. Mitarbeiter an der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Institutes in
Frankfurt. Seit 1979 an der Universität Mainz tätig. Habilitation 1992 (Habilitationsschrift: Kastell Alzey. Studien
zur spätrömischen Rheinverteidigung zwischen Andernach und Selz im 4. und 5. Jahrhundert.). Seit 1998 apl.
Professor mit Schwerpunkt Provinzialrömische Archäologie am Institut für Vor-und Frühgeschichte. 1990 Visiting
Fellow am Wolfson College in Oxford.

Publikationen des Referenten zum Thema: La fortification d'Alzey et la défence de la frontière Romaine le long du
Rhin en quatrième et cinquième siècle. In: F. Vallet, M. Kazanski [Hgg.], L'armée Romaine et les barbares du
IIIe au VIIe siècle (1993) 125–133. – Die letzten Jahrzehnte am Rheinlimes zwischen Andernach und Straßburg.
In: F. Staab [Hg.], Zur Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter am Oberrhein. Oberrheinische Studien 11
(1994) 69–112. – Les Burgondes en Alzey? Une question ouverte? In: H. Gaillard de Semainville [Hg.] Les
Bur-gondes. Apport de l'archéologie. Association pour la connaissance du patrimoine de Burgonde (Dijon 1995)
87–93. – Alzey in der Antike. (Themenheft Alzey) Mitteilungsblatt zur rheinhessischen Landeskunde. N.F. 1, 1999,
5–18.

Nächste Veranstaltung in dieser Reihe:

Prof. Dr. Klaus von See (Frankfurt am Main)

Die Nibelungen und die Edda

Mittwoch, 22. November 2000, 17.15 Uhr, N 3 (Muschel)


Mail an den Internetbeauftragten hier klicken Mainzer Universitätsgespräche