Das Seminar für Klassische Philologie
und das Studium generale
laden zu folgendem Gastvortrag ein:

 
Prof. Dr. Michael von Albrecht (Heidelberg)
Seneca in der deutschen Literatur
Donnerstag, 9. Dezember 1999, 17.15 Uhr
Hörsaal N 3 (Muschel)
 

Als Begründer einer neuen Prosa, die sich vom "ciceronianischen" Periodenstil befreit, trägt Seneca zur Emanzipation der modernen Literaturen bei. Als undoktrinärer Moralist ist er ein Vorläufer der europäischen Kulturkritiker von Montaigne bis Nietzsche. Nicht zuletzt ist er einer der wichtigsten Ahnherren des europäischen Dramas. Das Fortwirken Senecas in Deutschland muß im europäischen Kontext gesehen werden; sein Einfluß ist untrennbar von dem seiner modernen Nachfolger in Italien, den Niederlanden, Frankreich, England. Diese Wirkungen treten nicht immer mit Verspätung auf: Im neulateinischen Drama kommt Deutschland eine führende Rolle zu. Produktiv ist die Wechselwirkung von Wissenschaft und Literatur: Celtis und Locher sind Autoren und Senecaeditoren in Personalunion; später ist neben dem Niederländer Justus Lipsius der Heidelberger Bibliothekar Gruterus zu nennen, dem wir eine auf dem Palatinus beruhende Seneca-Edition verdanken. Folgenreich ist das Wirken der Übersetzer: Die philosophischen Schriften kann man schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf deutsch lesen, die erste Verdeutschung eines der Dramen stammt von keinem Geringeren als Opitz. Besonders im 17. Jahrhundert hat die Tragödie in Deutschland eine starke stilistische Affinität zu Seneca. Goethe berührt sich mit Opitz in seinem Interesse für Senecas Beschreibungen von Naturphänomenen. Ein letzter, besonders reizvoller Aspekt ist die Darstellung von Senecas Person in Dramen bis hin zu Peter Hacks ("Der Tod des Seneca").

Prof. Dr. Michael von Albrecht ist em. Ordinarius für Klassische Philologie an der Universität Heidelberg. Promotion (Latein, Griechisch, Indologie) und Habilitation in Tübingen bei Ernst Zinn. Patristische Studien in Paris bei Pierre Courcelle. Mehrere Rufe an nordamerikanische Universitäten. Gastprofessuren in Amsterdam und den USA. 1991 Rußlanddeutscher Kulturpreis. 1998 Ehrendoktor der Universität Thessaloniki.

Buchpublikationen des Referenten:
Die Parenthese in Ovids Metamorphosen (1963) – Iamblichos. Pythagoras (1963) – Silius Italicus (1963) – Ovid (mit Ernst Zinn, 1968) – M. Tullius Cicero – Sprache und Stil (1971) – Meister römischer Prosa (1971, engl. Übersetzung 1988) – Römische Poesie (1976) – Goethe und das Volkslied (1985) – Rom: Spiegel Europas (1988) – Ovid: Metamorphosen (1989) – Scripta Latina (1990) – Das Märchen vom Heidelberger Affen, lat.-dt. (1991) – Geschichte der römischen Literatur (1992, 2. Aufl. 1994, inzwischen in fünf Sprachen erschienen) – Roman Epic (1999). Hrsg. v. Referenten: Studien zur Klassischen Philologie (1979 ff., bisher 115 Bände) – Quellen und Studien zur Musikgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart (1984 ff., bisher 36 Bände) – Georg von Albrecht, Gesamtausgabe (1984–1991, 9 Bände) – International Journal of Musicology (1992 ff., mit E. Antokoletz).

Besondere Studiengebiete:
Klassische lateinische Dichtung (Ovid, Vergil), Epos, Kunstprosa (Cicero), Textsyntax und Stilistik, Erzählstruktur, Fortwirken der Antike in Literatur und Musik, lebendiges Latein.


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