Abschiedsvorlesung
von
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Ernesto Garzón
Valdés
Heuchelei, Mitgefühl und Rechtsstaat
Dienstag, 15. Februar 2000, 18.15 Uhr
Senatssaal (Naturwissenschaftliche Fakultät,
Becherweg 21, 7. O.G.)
Die Frage, wie die Existenz politischer
Autorität mit der moralischen Autonomie des Menschen zu vereinbaren
ist, ist eine der größten theoretischen Herausforderungen, der
sich die politische Theorie des Liberalismus zu stellen hat. Einfache Antworten
auf diese Frage gibt es nicht. Der Vortrag versucht zu analysieren, welche
Lösungen denkbar sind, sofern man anarchistische oder libertäre
Vorstellungen ablehnt. Vier mögliche Ansätze zur Beantwortung
der Frage werden betrachtet. Drei davon konzentrieren sich auf die moralische
Qualität des Bürgers. Es sind dies die Alternativen vom Bürger
als moralischem Agenten, vom Bürger als Heuchler und vom
Bürger
als mitfühlendem Wesen. Alle drei Vorschläge sind moralisch
und empirisch problematisch. Der vierte Vorschlag wechselt den Ansatzpunkt
und argumentiert, daß individuelle Autonomie überhaupt nur unter
Bedingungen möglich ist, die sich unter dem Stichwort ‘Rechtsstaat’
fassen lassen. Dabei zeigt sich, daß der Gegensatz zwischen Autonomie
und Heteronomie für die Rechtfertigung politischer Autorität
vielleicht gar nicht so entscheidend ist, wie es auf den ersten Blick scheinen
mag.
Ernesto Garzón Valdés,
geb. 1927 in Córdoba (Argentinien); Studium der Rechtswissenschaft,
Philosophie und Politikwissenschaft in Córdoba, Madrid und München;
Dr. jur.; bis 1974 Professor an den Universitäten von Buenos Aires,
Córdoba und La Plata, ab 1974 Exil in Deutschland; seit 1981 Universitätsprofessor
am Institut für Politikwissenschaft in Mainz. Forschungsschwerpunkte:
Rechtsphilosophie, politische Philosophie und Ethik.
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