Prof. Dr. Andreas Höfele (Heidelberg)
"What have we here – a man or a fish?"
Animalität und Alterität
bei Shakespeare
Montag, 7. Februar 2000, 17.15 Uhr
Hörsaal P 5 (Philosophicum)
Was Menschsein ausmacht, wer oder was zur Kategorie des Humanen zählt und wer oder was nicht, gehört zum Kernbestand ideologischer Übereinkünfte, anhand derer eine Kultur sich ihrer Identität – und Superiorität gegenüber anderen Kulturen – versichert. Gerade in Zeiten tiefgreifenden Werte- und Weltbildwandels und der damit einhergehenden Verunsicherungen ist die Definition des Humanen auf die Kontrastfolie des Subhuman-Animalischen angewiesen. Gerät das eigene Selbstbild ins Wanken, verschafft die Konstruktion eines Gegenbildes, das fast unvermeidlich zum Zerrbild überzeichnet wird, eine gewisse, wenn auch stets gefährdete Stabilität. In der frühen Neuzeit ist dieser Zusammenhang besonders evident.
Während die Bildungshumanisten sich an den unbegrenzten Möglichkeiten des Wunderwesens Mensch geradezu berauschen, beklagen andere, wie der englische Dichter John Donne, einen allgemeinen Niedergang der Welt, die Auflösung aller Ordnung: "’Tis all in peeces, all cohaerence gone." In Shakespeares Theater gelangt die buchstäblich fragwürdig gewordene Distinktion des Menschen in vielfältiger Variation zur Anschauung. Das animalische Andere tritt nicht nur extern, in Gestalt des ‚Wilden‘ Caliban auf, es manifestiert sich ebenso auch intern, in der Konstitution der tragischen Protagonisten.
Prof. Dr. Andreas Höfele ist Professor für englische Literaturwissenschaft an der Universität Heidelberg.
Publikationen des Referenten (Auswahl):
Die szenische Dramaturgie Shakespeares (1976). – Parodie und literarischer
Wandel (1986). – Malcolm Lowry (1990). – Aufsätze zur englischen Literatur,
insbesondere zu Shakespeare und zum 19. und 20. Jahrhundert, sowie fünf
Romane, zuletzt "Der Spitzel" (1997).
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Wilfried Floeck (Gießen)
Rekonstruktionsentwürfe der Begegnung
zwischen Alter und Neuer Welt im spanischen
Gegenwartstheater
Montag, 14. Februar 2000, 17.15 Uhr, P
5 (Philosophicum)
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