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Müller & Mainz

 

Der Weg von Ernst W. Müller führte erstmals im Wintersemester 1948/49 nach Mainz, als er von München nach Mainz wechselte, um hier mit dem Studium der Anthropologie zu beginnen. Seit dieser Zeit blieb er in unterschiedlicher Weise, auch über seinen Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1986 hinaus, dem Mainzer Institut verbunden, das er in den Jahren 1969 bis 1986 entscheidend gestaltete und ausbaute.

Während seines Studiums in München erhielt Ernst W. Müller als Dankeschön für seine Mithilfe bei der Wiederaufstellung der geographischen Bibliothek das Bändchen „Grundriss der Anthropologie“, die deutsche Ausgabe des 1936 in Paris erschienen „Les races humaines“ von P. Lester und F. Millot, das von dem Mainzer Anthropologen Falkenburger übersetzt worden war. Die Lektüre beeindruckte ihn so sehr, dass er beschloss, nach Mainz zu gehen, um bei Falkenburger Anthropologie zu studieren. Darüber hinaus wollte Müller sein in München bereits begonnenes Studium der Völkerkunde in Mainz fortsetzen. So kam er 1948 an das Mainzer Institut, wo er bei Prof. Adolf Friedrich studierte.

Prof. Adolf Friedrich war der erste Lehrstuhlinhaber am Mainzer Institut für Völkerkunde, das 1946 mit der Wiedereröffnung der Mainzer Universität gegründet worden war. Friedrich hatte mit einer Arbeit über afrikanische Priestertümer promoviert und bei dem Afrikanisten Hermann Baumann in Wien habilitiert. Die Assistentenstelle war mit Frau Dr. Erika Sulzmann besetzt, die 1947 in Wien zur Promotion bei Prof. Koppers eine kulturhistorische Arbeit zum Thema „Die Mongo. Studien zu einer regionalen Monographie“ (das Thema der Dissertation war allerdings noch von H. Baumann) vorgelegt hatte.

Erika Sulzmann leitete 1951 bis 1954 eine der ersten deutschen Nachkriegsexpeditionen, die zu den Ekonda führte, die im zentralen Kongobecken des damaligen Belgisch-Kongo (heute DR Kongo) leben und zu den so genannten Südwest-Mongo gezählt werden. Ernst W. Müller nahm als Doktorand an dieser Feldforschungsreise teil.

Im Jahr 1955, ein Jahr nach der Rückkehr aus dem Kongo, promovierte Ernst W. Müller bei Friedrich über die Ergebnisse dieser Forschungsreise. In seiner Dissertation mit dem Titel „Das Fürstentum bei den Südwest-Mongo (Belgisch Kongo)“ behandelte er die traditionellen Herrschaftssysteme der Ekonda.

Nach dem Tod von Friedrich wurde Wilhelm Emil Mühlmann 1957 zum ordentlichen Professor für Ethnologie und Soziologie in Mainz ernannt. (Mühlmann lehrte seit 1950 als außerplanmäßiger Professor für Soziologie und Völkerpsychologie. Diese Professur war keinem Institut zugeordnet, Mühlmann wurde jedoch vom Institut für Völkerkunde aufgenommen und mit einem Arbeitsraum ausgestattet. Ein Institut für Soziologie existierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht an der Mainzer Universität.) Im folgenden Jahr 1958 vertrat Müller eine wissenschaftliche Assistentenstelle am Mainzer Institut. Als Mühlmann 1960 nach Heidelberg wechselte, begleitete Ernst W. Müller ihn als wissenschaftlicher Assistent.

In den beiden Jahren 1956 und 1958 war Ernst W. Müller als zeitweilige Vertretung für Frau Sulzmann, während diese in Afrika weilte, am Mainzer Institut beschäftigt. Nachdem in rascher Folge Karl Josef Jettmar und Eike Haberland den Lehrstuhl für Völkerkunde innehatten, wurde Ernst W. Müller zum Sommersemester 1969 berufen. Damit eröffnete sich ihm die Chance, seine Vorstellungen des Fachs Ethnologie als komparative und historische Sozial- und Kulturwissenschaft zu verwirklichen. Gleichzeitig mit der Neubesetzung und symbolisch für die Neuorientierung wurde das Institut in „Institut für Ethnologie“ umbenannt. Durch Lehraufträge wurden auch weitere Spezialgebiete in die lehre aufgenommen Dr. Dauer (später Honorar Prof.) lehrte Ethnologie der Musik und des Films, Dr. Korn zusammen mit Ernst W. Müller Medizinethnologie. Die nun folgenden Jahre waren eine Zeit tief greifender Veränderungen und bilden den Grundstein für die heutige Gestalt des Mainzer Instituts.

Zunächst gelang es Ernst W. Müller den seit 1969 vakanten Lehrstuhl für Vergleichende Kulturwissenschaft nach langen Jahren beharrlichen Verhandelns in einen Lehrstuhl für Kultur und Gesellschaft Afrikas umzugestalten und mit dem Soziologen Gerhard Grohs zu besetzen. Grohs hatte sich 1967 in Berlin mit der Arbeit „Stufen afrikanischer Emanzipation. Studie zum Selbstverständnis afrikanischer Eliten“ habilitiert. 1974 wurde diese Professur dem Institut für Ethnologie angegliedert.

Im Jahr 1974 wurde das Institut auf Initiative von Müller und mit Unterstützung des neu berufenen G. Grohs um die Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen erweitert. Die finanzielle Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Stifterverbandes der deutschen Industrie sowie Zusicherungen des Landes Rheinland-Pfalz erlaubten es, aus dem Nachlass des 1973 verstorbenen Literaturwissenschaftlers und -vermittlers, Schriftstellers und Übersetzers Janheinz Jahn eine einmalige Sammlung „neoafrikanischer“ (so die damalige Bezeichnung) Literatur zu erwerben, die den Grundstock der Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen bildet. In folge dessen wurde die Auseinandersetzung mit afrikanischer Literatur und Literaturethnologie zu einer weiteren Besonderheit des Mainzer Instituts. Die Jahnbibliothek ist eine der größten Bibliotheken ihrer Art und zieht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt an. Ab 1975 finden am Mainzer Institut in unregelmäßigen Abständen Internationale Janheinz Jahn-Symposien statt. Diese wurden von Dr. Ulla Schild, die von 1975 bis 1998 wissenschaftliche Leiterin der Jahn-Bibliothek war, organisiert und dienten als Podium für Diskussionen über moderne afrikanische Literatur und Literaturforschung. Die Existenz dieser Bibliothek war auch Anlass für den Besuch von Leopold S. Senghor 1977 im Institut.

Die Einrichtung der beiden Lehrstühle für Kultur und Gesellschaft Afrikas sowie Afrikanische Philologie sowie der Jahn-Bibliothek gaben Anlass zu einer erneuten Namensänderung. Seit dem 24. Juni 1975 nennt sich das Institut „Institut für Ethnologie und Afrikastudien“, um den interdisziplinären Charakter zu unterstreichen.

Zum Sommersemester 1984 wurde Ivo Streckers auf die neu geschaffene Professor für Ethnologie Afrikas berufen, deren Einrichtung ebenfalls auf die Initiative von Ernst W. Müller zurückgeht.

Zwei Jahre später wurde, der damalige Direktor des Frankfurter Museums für Völkerkunde (das heutige Museum der Weltkulturen), Prof. Dr. Josef F. Thiel, mit Ernennung zum außerplanmäßigen Professor nach Mainz umhabilitiert.

Darüber hinaus wurde ab 1982 eine wissenschaftliche Zusammenarbeit mit der Universität von Butare in Ruanda, dem Partnerland von Rheinland-Pfalz, etabliert. Neben dem Institut für Ethnologie und Afrikastudien sind von Mainzer Seite an dieser Hochschulkooperation das Geographische Institut beteiligt.

Der prägende Einfluss Müllers auf das Mainzer Institut ist unübersehbar. Bei seiner Berufung 1969 umfasste das Institut lediglich eine Professur sowie zwei weitere Stellen. Bei seinem Eintritt in den Ruhestand 1986 konnte es vier planmäßige Professuren und eine außerplanmäßige Professur, zahlreiche weitere Dauer- und Zeitstellen, drei außergewöhnliche Sammlungen (Jahn-Bibliothek, Archiv für die Musik Afrikas, Ethnographische Sammlung) eine umfangreiche Bibliothek für Ethnologie, Soziologie Afrikas und Afrikanische Sprach- und Literaturwissenschaft aufweisen und war zu einem viel besuchten Zentrum der ethnologischen Lehre und Forschung geworden, dass sich besonders durch seine interdisziplinäre Ausrichtung auszeichnete.

 

 

„Jede Seite dieses Berichtes zeigt, dass die Geschichte des Instituts ohne die Tatkraft, den Ideenreichtum und die Hartnäckigkeit von Ernst Wilhelm Müller […] nicht zu verstehen ist. Er verwandelte das kleine und isolierte Institut für Völkerkunde in ein interdisziplinäres Lehr- und Forschungsinstitut, das nicht nur der Vergangenheit, sondern vor allem der Gegenwart zugewandt ist.“ (Gerhard Grohs in: Muszinski, 1985: v).

 

 

Quellen

 

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