Interaktion von traditionellem und modernem BodenrechtIn Burkina Faso koexistieren verschiedene Konzepte von Bodenrecht, in denen sich die historischen Entwicklungen der jeweiligen Regionen niederschlagen. Allgemein gab es in der vorkolonialen Zeit keine individuellen Besitztitel auf Land, sondern Nutzungsrechte, die in der Regel von Verwandtschaftsgruppen gehalten wurden. Generell kann man drei Typen von vorkolonialem Bodenrecht unterscheiden: 1. Vorrechte des Erdherren, 2. Rechte auf ererbtes Land, 3. Nutzungsrechte. Der Erdherr als Repräsentant der ersten Siedler hat die am weitest reichenden Rechte, sowohl was Anbau- und Wohnrechte, als auch Rechte über Wasser, Bäume und Wild angeht. Er vergibt Anbau- und Wohnrechte an nachkommende Siedler. Die Rechte dieser Nachgezogenen können sich durch lange Siedlungsdauer und kontinuierliche Nutzung so verfestigen, daß sie wie die Rechte der Erstsiedler durch Vererbung weitergegeben und damit quasi zu Besitzrechten werden. Die vom Erdherren verliehenen Siedlungs- und Nutzungsrechte können wiederum an weitere Verwandte oder andere Nachkömmlinge weitergegeben werden, sowohl dauerhaft als auch befristet. Während der Kolonialzeit und nach der Unabhängigkeit traten staatliche Regelungen und Gesetzgebungen neben die traditionellen Landrechte. Dabei standen ökonomische Erwägungen wie die "Inwertsetzung" von Gebieten für die Baumwollproduktion oder den Bewässerungsfeldbau im Vordergrund. Wie sich nicht nur in Burkina Faso gezeigt hat, konnten staatliche Rechte aber die traditionellen Rechte nie völlig ersetzen oder verdrängen. Vielmehr existieren beide Arten von Recht parallel, und oft hat das staatliche Recht auf lokaler Ebene keine Bedeutung. Im damaligen Obervolta wurde unmittelbar nach der Unabhängigkeit 1960 alles Land, auf dem keine eindeutigen Besitztitel lagen, zu Staatseigentum. Während der Sankara-Ära (1983-87) trat die sogenannte Reorganisation Agraire et Foncière (RAF) in Kraft, eine Landrechtsreform, die alle bisher existierenden Besitztitel annullierte. Die Reform sollte eine rationelle Nutzung der natürlichen Ressourcen durch ein nationales Entwicklungsprogramm ermöglichen. Die Rechte der traditionellen Autoritäten wie Erdherren und Dorfoberhäupter sollten eingeschränkt werden. Die zu einem Dorf gehörenden Flächen wurden in vier Zonen eingeteilt: Wohngebiet (zone d'habitat), Anbauflächen (zone de culture), Weideflächen (zone d'elevage) und und Waldreserven (zone de forêt). Die Durchführung des Entwicklungsprogramms scheiterte jedoch, und 1991 wurde die Möglichkeit des Erwerbs von Besitztiteln wieder eingeführt. Um die Ansiedlung von spontanen Migranten besser kontrollieren und integrieren zu können, wurden seit Ende der 1980er Jahre auf Dorfebene durch das neue nationalen Raumordnungsprogramm PNGT (Programme National de Gestion des Terroirs) sogenannte Comités de Gestion des Terroirs etabliert, die konsensfähige Landnutzungslösungen erarbeiten sollten. Diese Gremien existieren teilweise jedoch nur formell. |
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