Dagara- und Sisala-Siedlungen östlich des Schwarzen Volta (Arbeitsschwerpunkt C. Lentz)In der kommenden Antragsperiode soll zunächst der Überblick über die vorkoloniale und koloniale Siedlungsdynamik der Sisala und Dagara östlich des Volta vervollständigt werden. Dabei gilt es, die vorhandenen, teilweise widersprüchlichen Daten zu "erstkommenden" und "späterkommenden" Lineages und zum Erdschreinerwerb zu überprüfen sowie die noch nicht erfaßten Siedlungen und Ortsviertel zu untersuchen. Insbesondere sollen die erhobenen Daten weiter kartographisch umgesetzt und ausgewertet werden. Aus dieser Veranschaulichung und der Kombination mit den Daten der anderen Projektmitarbeiter werden sich Muster der Verteilung bestimmter Lineages ergeben, die zu vertiefenden Untersuchungen Anlaß geben. Bereits am bisherigen Material hat sich gezeigt, wie wichtig eine gewisse Arbeitsteilung der Patriklans (Spezialisierung auf Jagd, Ackerbau oder Kriegsführung) und dementsprechende Bündnisse bestimmter untereinander heiratender oder miteinander befreundeter Lineages für die Siedlungsdynamik waren. Geplant sind ein oder zwei Fallstudien, die solche Klanbündnisse und ihre Migration über einen größeren geographischen Raum hinweg verfolgen. Die Dagara-Expansion östlich des Volta kann nur, das machen die bisherigen Ergebnisse deutlich, in Interaktion mit den Sisala-Siedlungsstrategien verstanden werden. So lassen sich z.B. für ältere Migrationsprozesse im 19. Jahrhundert verschiedene Fälle von gemeinsamer Ansiedlung, Assimilation und ethnischer Konversion feststellen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts scheint es aber zu einer Verhärtung der ethnischen Grenzen gekommen zu sein, deren Ursachen und Auswirkungen noch weiter untersucht werden müssen. Vertieft werden soll in der neuen Antragsperiode darum auch die Untersuchung von Sisala-Siedlungen, ihrer Siedlungsgeschichte und rezenten Ausdehnung (bzw. Nicht-Ausdehnung), ihrer Konzeption des Bodenrechts und ihrer Beziehungen zu den Dagara-Immigranten. Hierzu sind bereits Vorarbeiten geleistet, die es weiterzuführen gilt. Die Dynamik der Dagara-Sisala-Beziehungen wird exemplarisch in drei verschiedenen Dörfern genauer untersucht, in denen der Kontakt in vorkolonialer, kolonialer und nachkolonialer Zeit erfolgte. Die zu erhebenden Überblicksdaten und Fallstudien sind Bausteine für die Beantwortung weiterreichender vergleichender Fragen nach dem Verhältnis von Raum, Territorialität und Verwandtschaft bei Dagara und Sisala. Gibt es bei den Dagara angesichts der enormen Mobilität ein "Dorf"bewußtsein und worauf gründet es sich? Oder beziehen sich Raumbewußtsein und lokale Identität hier eher auf eine Region, auf ein Bündel von Orten, die durch die gemeinsamen Migrationsrouten und Klanbeziehungen miteinander verknüpft sind? Verdichtet sich in Auseinandersetzung mit Sisala und Pwo an den Dagara-Siedlungsgrenzen dieses multilokale Klan-Raumbewußtsein zu ethnischem Zugehörigkeitsgefühl, auch schon in vorkolonialer Zeit? Welche Formen des Orts- und Dorfbewußtseins haben die seit der Jahrhundertwende seßhafteren Sisala entwickelt? Wie werden hier - in Abwesenheit eines supralokalen Systems von Patriklanen - überdörfliche Netzwerke gebildet und gefestigt? Ein wichtiges Ergebnis der letzten Untersuchungsperiode war die Beobachtung, wie stark die kollektive Erinnerung an die vorkoloniale Siedlungsgeschichte durch die politischen Konflikte der Kolonialzeit geprägt ist. Diese lokalpolitischen Prägungen weiter auszuloten und die spezifischen Veränderungen der Mobilitätsmuster und des Bodenrechts durch die koloniale Politik (Einführung von Verwaltungsgrenzen und chefferie) und die Schaffung der internationalen Grenze Goldküste-Obervolta zu untersuchen, wird ein weiterer Schwerpunkt der neuen Antragsphase sein. Vor allem muß für die Orte, in denen die Art und Weise des Erdschreinerwerbs besonders umstritten ist, durch Archivarbeit und weitere Interviews die Geschichte der Einführung der chefferie und der Beziehung zwischen politischen und ethnischen Grenzen erforscht werden. Besonders interessant ist hier die Frage nach der Interaktion indigener und externer Grenzkonzeptionen und ihrer geschichtlichen Veränderung. |
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