Projekt Homepage > Projektphase 1997-1999 > Teilprojekt A 8: Djoro

Fragestellungen
Arbeitsgebiete und Methoden
Ergebnisse
Religiöse Netzwerke
Der Djoro von Nako
Untersuchungsregion
Ökonomische Aspekte
Popularität von Kulten
Neues zu den Birifor
Literatur
Allgemeines
Stellung im SFB 268
Der Forscher

Fallstudie: Das Beispiel des Djoro von Nako

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Der Djoro von Nako ist ein Initiationskult, der kollektiv, interethnisch und hierarchisch verwaltet und periodisch im siebenjährigen Rhythmus praktiziert wird. Seine innere Organisation, der Ablauf der Initiationsphasen und die Gestalt und Inhalte der zahlreichen rituellen Handlungen entsprechen in etwa dem Djoro von Batié-Nord, der bereits gut erforscht ist (vgl. die in 1. erwähnte Literatur). Der Djoro von Batié-Nord, von großen Teilen der Lobi und von einigen Birifor-Familien praktiziert, ist aus einer Allianz zwischen Dagara-Wiile und Lobi zur Zeit der Überquerung des Volta vermutlich gegen Ende des 18. Jahrhunderts hervorgegangen. Der Djoro von Nako entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus einem rituellen Arrangement zwischen Pwo und Lobi in der Gegend von Nakar bei Dissin, wo die beteiligten Pwo seit Mitte des 18. Jahrunderts siedelten. In den Djoro von Nako sind große Teile der Lobi initiiert, deren Vorfahren über die nördlichen Flußüberquerungsorte in der Gegend von Lawra gekommen sind; außerdem partizipieren die Birifor- und Dyan-Familien, die aus matrilinearen Verbindungen mit den genannten Lobi-Klans hervorgegangen sind.

Ausgedehnt und verfestigt hat sich der Djoro von Nako zur Zeit der Razzien von Mokhtar Karantao aus Wahabou in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In den mündlichen Traditionen ist dazu von einer Erscheinung im Flußbett des Bougouriba die Rede, doch kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, daß die Pwo bereits einen ähnlichen Kult vom Typ Simo/Sigilen aus ihren alten Siedlungsgebieten im Norden des heutigen Ghana mitgebracht hatten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließen sich dann die Lobi, die diesen Kult übernommen hatten, in und um Nako nieder. Eine Generation später verlagerten sie dann das rituelle Zentrum des Kults von Nakar nach Nako. Auch die heiligen Orte, an dem das Weihwasser für die Initiation geschöpft wird, wurden nun an einen Nebenfluß des Bougouriba transferiert.

Entscheidend ist nun, daß die Pwo während ihrer Weitermigration nach Westen - sie bezeichneten sich fortan in Abgrenzung zu den nach Norden migrierten Pwo als "Vua" - die Vorherrschaft über den Kult behielten und die Lobi zu Alliierten machten. Heute befindet sich die Leitung der streng hierarchischen Verwaltung des Djoro in der Hand von Pwo der Klans Bara und Harbe in den Orten Sabta und Ouan südwestlich von Diébougou; wobei Ouan für die Exekutive zuständig ist und Sabta die oberste legislative Leitung des Kults innehat. Sowohl mit der rituellen Zentrale in Nako als auch mit den zahlreichen Filialen besteht enger Kontakt; die Betreiber der einzelnen Filialen des Djoro wie auch die in Nako ansässigen Initiatoren unterziehen sich regelmäßigen Instruktionsphasen in Sabta, die ein Jahr dauern.

Die ersten den Djoro praktizierenden Lobi ließen ihrerseits nach und nach die Gründung von Filialen seitens anderer Gruppen zu und folgten damit der gleichen Logik, die einst die Pwo ihnen gegenüber praktizierten: Neu ankommende Gruppen wurden zum Zwecke der Konfliktvermeidung in Teile des Initiationswissens eingeweiht, und man überließ ihnen die rituelle Durchführung des Djoro. In der Gegend um Nako z.B. entstanden Djoro-Zentren der Birifor und Lobi, in Loto und Ouan südwestlich von Diébougou Djoro-Zentren der Dyan. Zentren sind jeweils die Orte, an denen sich die Initianden und ihre Freunde und Verwandten zu Beginn der Initiationsphase versammeln und wo die abschließenden Zeremonien stattfinden. Sämtliche dazwischenliegenden Phasen der Initiation, wie der mehrmalige gemeinsame Gang zu den heiligen Orten des Djoro von Nako an zwei Zuflüssen des Bougouriba und die dort stattfindenden Rituale, sind für alle obligatorisch, ganz gleich, welcher Filiale sie angehören. Aus diesem Grunde beschreiten auch alle sieben Jahre die Initianden der Lobi aus dem etwa 70 km südwestlich gelegenen Libira und Loropeni die heilige Route zu den Kultorten bei Nako, die auf dem Siedlungsweg ihrer patrilinearen Vorfahren lagen.

Die Untersuchungen zum Djoro von Nako schließen sich nahtlos an die vorliegenden Arbeiten zum Djoro von Batié-Nord an, und sie haben vor allem die oben genannten Grundprinzipien bei der Herausbildung religiöser Netzwerke bestätigt. Ferner hat sich - wie auch in anderen Fallstudien etwa zu einzelnen Birifor-Familien - gezeigt, wie flexibel handhabbar und in kleineren Zeiträumen veränderlich das Gefüge religiöser Netzwerke ist. So stellten sich, was die in den Arbeiten von Père (1988) und anderen genannten Filialorte des Djoro oder die Namen der Pwo-Kultleiter in Ouan betrifft (von Sabta ist dort gar nicht die Rede), bereits nach den seither vergangenen drei Jahrzehnten erhebliche Verschiebungen heraus.

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Letzte Aktualisierung 05/2002.