Projekt Homepage > Projektphase 1997-1999 > Teilprojekt A 8: Die Untersuchungsregion

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Arbeitsgebiete und Methoden
Ergebnisse
Religiöse Netzwerke
Der Djoro von Nako
Untersuchungsregion
Ökonomische Aspekte
Popularität von Kulten
Neues zu den Birifor
Literatur
Allgemeines
Stellung im SFB 268
Der Forscher

Die Untersuchungsregion und ihre Charakteristik

Karte anklicken, um sie in voller Größe anzusehenAls Untersuchungsregion kristallisierte sich bereits während eines ersten Surveys im April 1997 ein etwa 60 km langes und 20-30 km breites Band zwischen der Region um Diébougou, dem Verwaltungszentrum der Provinz Bougouriba, und dem Raum Lawra/Babile auf der ghanaischen Seite heraus. Dieser Raum ist durch vielfältige rituelle und politische Austauschbeziehungen zwischen den nacheinander eingewanderten Gruppen von Dagara, Birifor, Dyan, Pwo und Lobi geprägt. Außerdem zeichnet er sich durch zahlreiche spirituell aufgeladene Orte und Wegstrecken aus, und schließlich liegen hier die für die genannten Gruppen wichtigsten Flußüberquerungspunkte. Alle diese Faktoren ließen diesen Raum für die geplanten Untersuchungen als hervorragend geeignet erscheinen.

Die gewählte Untersuchungsregion bietet zudem den Vorteil, daß hier alle Gruppen ungeachtet ihrer ethnischen, territorialen und linguistischen Zugehörigkeiten bestimmte kosmologische Grundlagen respektieren wie z.B. die Verehrung der Erde und der Ahnen und rituelle Verpflichtungen gegenüber den als lebendige Wesen begriffenen Naturphänomenen. Dennoch haben sich aber an verschiedenen Orten recht unterschiedliche Manifestationen religiöser Netzwerke herausgebildet, die in ihren Spezifika systematisch und vergleichend erforscht werden können.

Die auffallende Verdichtung interethnischer Austauschbeziehungen wie auch ritueller Topographien erklärt sich aus der Tatsache, daß sich im Verlauf der kontinuierlichen, sukzessiven Ansiedlung einzelner Familienverbände der genannten Gruppen zunächst eine Art Engführung vollzog. Zur Überquerung des Volta wurden nur wenige Furten benutzt, und man siedelte in der Regel zunächst relativ nahe beieinander. Im weiteren Verlauf, meist ein bis zwei Generationen später, spalteten sich Teile der jeweiligen Familien ab und migrierten weiter ins Landesinnere des heutigen Burkina Faso. Dieser zweistufige Prozeß dauerte vermutlich etwa von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis weit in die Kolonialzeit hinein an; besonders intensiv waren die Migrationsbewegungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Von der der Flußüberquerung jeweils unmittelbar folgenden Situation zeugen heute die aus verschiedenen Sprachen stammenden Bezeichnungen benachbarter Siedlungen selbst innerhalb des Gebiets einer "ethnischen Gruppe" bzw. die im Vergleich der oralen Traditionen offenkundigen Re-Interpretationen älterer Namen durch spätere Bewohner. Andererseits läßt sich die Wiederkehr derselben Ortsnamen in einem größeren Radius als Indiz für die jeweils erst mit zeitlicher Verzögerung einsetzende Weitermigration von "Zuerst-Dagewesenen" werten.

Eine der Folgen dieses historischen Musters der Zweistufigkeit der Besiedlung war, daß für die Mitglieder einer einzelnen Lineage, Kultgemeinschaft o.ä. weiträumige religiöse Netzwerke eine ebenso große Rolle spielten wie rituelle und verwandtschaftliche Beziehungen vor Ort . Im Rahmen der Engführung der Besiedlungsgeschichte in der Folge der Überquerungen des Volta entstanden auch neue Heiratsallianzen und Klanbezeichnungen, und es fand überdies eine Ethnogenese statt, nämlich die der "Birifor" (vgl. dazu 'Neues zu den Birifor'). Diese Gruppe, deren Name - jedenfalls in der Untersuchungsregion - nur als Exonym existiert und deren Mitglieder sich selbst je nach ihrer Position im religiösen Netzwerk und in den lokalen interethnischen Beziehungen mit den unterschiedlichsten Bezeichnungen belegen ("Dagara", "Lobr", "Dyor-biir", Klan- und Ortsbezeichnungen etc.) war für die Thematik des Projekts A8 aufgrund der flexiblen Assoziationsweise ihrer Mitglieder bei der Einbindung in religiöse Netzwerke von größtem Interesse. Mit der Untersuchung der "nördlichen" Birifor im Gebiet der Dagara, Lobi, Pwa und Dyan konnte so auch ein Beitrag zur allgemeinen Ethnographie des Südwestens von Burkina Faso geleistet werden.

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Letzte Aktualisierung 05/2002.