Wintersemester 10/11 - Vorlesung

 

Das spanische Barocktheater (Lope, Tirso, Caldéron)

Bei der Bewertung des spanischen Barockdramas spaltet sich die Forschung in zwei deutlich voneinander geschiedene Lager: Sieht die an Weisbach und Maravall orientierte Philologie das Theater des siglo de oro wesentlich als propagandistische Verdoppelung herrschender Ideologie bzw. als das Organon einer neoscholastischen ,Diskurs-Renovatio‘ (Küpper) im Zeichen der Gegenreformation, so betonen neuere Arbeiten nicht nur den Aspekt theatralischer Konterdiskursivität (Nitsch), sondern auch eine ideologische Vielstimmigkeit (Xuan), die eine – eindeutige – politische Vereinnahmbarkeit deutlich überschießt.

Ziel der Vorlesung ist es, die spanische Comedia in ihren wesentlichen Gattungsausprägungen (comedia de capa y espada, Ehren- u. Bauerndrama sowie philosophischem und religiösem Theater) zu beleuchten. Meine Grundannahme, daß es sich bei der spanischen Comedia um einen Austragungsort ,sozialer Energie‘ (Greenblatt) und damit um die komplexe ,Verhandlung‘ widerstreitender Positionen handelt, werde ich anhand einläßlicher Lektüren kanonischer Stücke nachzeichnen. Dabei werden Implikate der Souveränitätslehre, des – keineswegs immer sicheren – königlichen Gewaltmonopols und der oftmals krisenhaften patria potestas ebenso zur Sprache kommen wie bevorzugterweise an der mujer varonil durchgespielte Gender-Fragen oder die besonders von Lope de Vega immer wieder betonte Ökonomisierung der Standesverhältnisse.

 

Wintersemester 10/11 - Hauptseminar Spanisch

 

Der neorealistische Film in Spanien (Nieves Conde, Bardem, Berlanga)

Unter neorealismo versteht man gemeinhin jene weitgehend on location gedrehten Filme, die in Italien mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstehen und einen Neuanfang nach dem Faschismus suchen. Dieser Neuanfang ist paradox: Formal sind die Filme in einem Maß den kontradiktorischen Lebenswelten der dezentrierten Nachkriegsgesellschaft zugewandt, daß man mit Recht von einer visuellen Neuerfindung Italiens sprechen kann; inhaltlich sind sie zumeist Narrativen von Schuld, Sühne und Heil verpflichtet, die weniger das Neue greifbar werden lassen, als vielmehr die Konfliktlagen einer vaterlos gewordenen communitas im Medium christlicher Wertlehre bewältigen wollen.
            Der spanische neorrealismo [sic!], um den es in unserem Seminar vorrangig gehen wird, hat andere Ausgangsbedingungen: Er ist nicht der Neuanfang nach dem Faschismus, sondern ein medienpolitisch gelenkter Neuanfang innerhalb des Franquismus, der sich ab den späten 1950er Jahren unter dem Slogan España es diferente dem weltweiten Tourismusmarkt öffnen will. Es wäre jedoch falsch, den spanischen Neorealismus nur als politisch gleichgeschalteten Abklatsch des italienischen zu begreifen. Es ist zwar richtig, daß die neorealistische Ästhetik dazu dienen soll, dem diktatorischen Spanien einen nach außen wirksamen Anstrich der Moderne zu verleihen, doch verstehen es die Regisseure, mit diesen Vorgaben kreativ und subversiv umzugehen. Dies liegt nicht zuletzt daran, daß Spanien über eine andere Realismustradition verfügt als Italien, und die Regisseure des neorrealismo español innerhalb des ihnen verfügbaren literarischen Paradigmas auf Autoren wie Lope de Vega, Cervantes, Galdós und Valle-Inclán zurückgreifen können. 
            Unser Seminar wird den Versuch unternehmen, die Entwicklungslinie des spanischen Neorealismus anhand dreier prominenter Regisseure nachzuzeichnen und dabei der Vielschichtigkeit des Phänomens Rechnung zu tragen. Dabei wollen wir immer auch den Blick auf Italien werfen, um die spezifische Differenzqualität des spanischen neorrealismo bestimmen zu können. Hierzu soll uns ein Sichttermin am Dienstagabend von 18.00 – 20.30 Uhr dienen.

 

 

Wintersemester 10/11 - Hauptseminar Französisch

 

In memoriam Eric Rohmer: Les contes moraux und Les contes des saisons

Bereits die Titel der von Rohmer bevorzugten zyklischen Gestaltung seiner Filme zeugen von einem bewußten Rekurs auf die Erzähltradition. Rohmer begreift seine Filme als contes und scheint damit gerade jene Differenzqualität tilgen zu wollen, die den Film als Gattung doch erst eigentlich begründet: das Visuelle. Nun sind Rohmers Filme in der Tat in einem Maß von der Sprache geprägt, dass man bei einem ersten Sehen von der Sprache kaum auf die Bilder abzusehen vermag. Es wird geredet und geredet. Doch dieses Reden ist nicht das Wesentliche. Zumindest entbirgt die Rede nicht das eigentliche Geheimnis der Filme Rohmers; denn die Figuren reden nicht nur aneinander vorbei; sie reden vor allem auch, um sich selbst zu täuschen. Rohmer ist dabei der vielleicht literarischste derjenigen filmischen auteurs, die man unter dem Gruppennamen Nouvelle Vague zusammenzustellen pflegt. Er speist sich aus der Höhenkammliteratur Frankreichs: der höfischen Liebe, der Moralistik, den Pensées Pascals, der Rededuelle Marivaux’ oder den Liaisons dangereuses. Trotz dieser Traditionsbezogenheit erzählen die Filme Rohmers in vielleicht noch eindringlicherer Weise als die Filme seiner Zeitgenossen von der Moderne: Vom Wandel des Verhältnisses der Geschlechter, von problematisch gewordener Männlichkeit, von jugendlicher Selbstfindung. All dies geschieht – und das ist nicht der geringste Reiz dieser Filme – bevorzugterweise im Urlaub. Eben hier kommt dann auch das Visuelle zum Tragen: Rohmer erfüllt unsere Sommerwünsche auf geradezu kulinarische Art. Der Genfer See, die Provence, das frühlingshafte Paris, und vor allem die schönen Französinnen. Doch das ist, trotz der Bildmächtigkeit, mit der Rohmer die Urlaubsstereotype in Szene setzt, nie der ganze Film; denn die schöne Französin wird der zumeist männliche Protagonist am Ende ebensowenig besitzen, wie man die Wunschbilder des Urlaubs in den Alltag mitnehmen kann.

 

Wintersemester 10/11 - Kolloquium

 

Filmanalyse und Filmtheorie

Wie jedes Semester bietet das literaturwissenschaftliche Kolloquium Magister- und Staatsexamenskandidaten die Möglichkeit, ihre Projekte vorzustellen und zu diskutieren. Neben den laufenden Arbeiten, wollen wir uns dieses Semester darüber hinaus mit Fragen der Filmtheorie und Filmanalyse beschäftigen. Studenten der beiden Hauptseminare zu Rohmer und Neoralismus im spanischen Film können hier ihre methodischen Kenntnisse vertiefen und ihre hermeneutischen Fertigkeiten verbessern.

 

 

 

 

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