Das spanische Barocktheater (Lope, Tirso, Calderón)
Bei der Bewertung des spanischen Barockdramas spaltet sich die Forschung in zwei deutlich voneinander geschiedene Lager: Sieht die an Weisbach und Maravall orientierte Philologie das Theater des siglo de oro wesentlich als propagandistische Verdoppelung herrschender Ideologie bzw. als das Organon einer neoscholastischen ,Diskurs-Renovatio‘ (Küpper) im Zeichen der Gegenreformation, so betonen neuere Arbeiten nicht nur den Aspekt theatralischer Konterdiskursivität (Nitsch), sondern auch eine ideologische Vielstimmigkeit (Xuan), die eine – eindeutige – politische Vereinnahmbarkeit deutlich überschießt.
Ziel der Vorlesung ist es, die spanische Comedia in ihren wesentlichen Gattungsausprägungen (comedia de capa y espada, Ehren- u. Bauerndrama sowie philosophischem und religiösem Theater) zu beleuchten. Meine Grundannahme, daß es sich bei der spanischen Comedia um einen Austragungsort ,sozialer Energie‘ (Greenblatt) und damit um die komplexe ,Verhandlung‘ widerstreitender Positionen handelt, werde ich anhand einlässlicher Lektüren kanonischer Stücke nachzeichnen. Dabei werden Implikate der Souveränitätslehre, des – keineswegs immer sicheren – königlichen Gewaltmonopols und der oftmals krisenhaften patria potestas ebenso zur Sprache kommen wie bevorzugterweise an der mujer varonil durchgespielte Gender-Fragen oder die besonders von Lope de Vega immer wieder betonte Ökonomisierung der Standesverhältnisse.
Stendhal
Fast jeder kennt die berühmte Definition, wonach ein Roman ein Spiegel sei, den man entlang einer großen Straße trage. Und fast jeder weiß daher auch, daß Stendhal, in dessen Roman Le Rouge et le Noir sich diese Definition findet, der erste Realist ist. Doch was hat das eigentlich zu besagen bei einem Autor, der während der Restauration schreibt, zu einer Zeit also, da man den Versuch unternahm, an das in der Revolution untergegangene Ancien Régime anzuschließen? Die Restaurationsgesellschaft ist eine Gesellschaft vor dem Spiegel, eine Gesellschaft, die sich nach einem Ideal modelliert, das genau genommen nicht mehr zeitgemäß ist. Um dieses spekulare Moment ist es Stendhal in Le Rouge et le Noir zu tun. Daher hat es die Liebe auch so schwer bei ihm, denn niemand oder fast niemand kann authentisch sein. Die Masken fallen jedoch bezeichnenderweise im Gefängnis, das für Stendhal nicht nur ein Ort jenseits der falschen Gesellschaftlichkeit ist, sondern eben auch ein solcher, wo die Liebe möglich wird. Dies gilt für Le Rouge et le Noir ebenso wie für den zweiten großen Roman, den wir in diesem Seminar lesen wollen, La chartreuse de Parme. So werden wir uns denn auch fragen müssen, in welchem Verhältnis Subjektivität und Liebe in einem Europa stehen, das unter Metternich wieder den Absolutismus pflegt, und was all dies mit der Geburtsstunde des Realismus zu tun haben könnte.
Wintersemester 2024/25 - Hauptseminar Spanisch
Sor Juana Inés de la Cruz
Juana Asbaje y Ramírez kommt 1648 als uneheliches Kind auf die Welt. Sie wächst in San Miguel Nepantla auf, wo sie schon in jungen Jahren ein Bildungshunger erfasst. Mit sechzehn Jahren kommt das Wunderkind an den Hof der Vizekönige von Neuspanien. Dort besticht sie durch ihre Anmut und Dichtkunst. Doch als Heiratspartie kommt sie nicht in Frage, da sie keinen Vater vorzuweisen hat und auch auf keine Aussteuer bauen kann. So bleibt der Weg ins Kloster, wo sie unter dem Namen Sor Juana Inés de la Cruz bald das Leben einer gut vernetzten Intellektuellen führt. Möglich ist dies vor allem aufgrund der innigen Beziehungen, die sie zu den jeweiligen Vizeköniginnen unterhält. Als sie sich jedoch in eine brisante theologische Fragestellung einmischt, erhält sie Schreibverbot und stirbt wenig später, 1695, an der Pest.
In unserem Seminar wollen wir uns die Dichtung von Sor Juana in detaillierten Einzellektüren erschließen. Dabei wird uns die Poetik des Petrarkismus ebenso interessieren wie die Frage der frühneuzeitlichen Genderordnung und deren Tücken. Teilnahmevoraussetzung sind aktive Mitarbeit sowie die Übernahme eines Thesenpapiers, das dann jeweils als Grundlage für die Diskussion im Plenum dienen wird.
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Schönheit als kulturwissenschaftliche Kategorie
Die systematische Beschäftigung mit dem Schönen beginnt in der deutschen Aufklärung bei Kant: Schönheit sei ,interesseloses Wohlgefallen‘ und stehe damit einzig im Dienste seiner selbst: des Ästhetischen. Doch ist das so? Denkt man an die Inszenierung schöner Frauen in der Werbung, darf man das bezweifeln. Aber auch zu Beginn der (frühen) Neuzeit ist Schönheit immer noch anderweitig – und das heißt kulturspezifisch – funktionalisiert. Schönheit kann Reichtum, Güte, Keuschheit verheißen oder aber ein gefährliches, trügerisches Zeichen sein. Das Schöne kann nicht zuletzt auch das Häßliche sein – man denke an Baudelaire oder die abgründigen Phantasien der Dekadenz. In unserem Seminar wollen wir uns diesem weiten Feld aus einer vergleichenden Perspektive nähern und danach fragen, was das Schöne und mit ihr die Schönheit in je unterschiedlichen Epochen der französischen und spanischen Kulturgeschichte bedingt. Wir wollen dabei den Bogen von der älteren und jüngeren Literatur über den Film bis hin zur Werbung schlagen. Denkbar wären auch Fernsehformate nach Art von Germany’s Next Topmodel, wo mit der Schönheit ja eine ganze Reihe anderweitiger Kategorien verbunden ist und wo Schönheit nicht zuletzt als eine Instanz der Stratifikation und Gruppenzugehörigkeit dient.
Wintersemester 2024/25 - M.A./ Graduiertenkolloquium
Vorstellung von Masterarbeiten und Dissertationen
1-std., verblockt, die Termine werden noch bekannt gegeben