Wintersemester 2015/16 - Vorlesung

 

Etappen lateinamerikanischer Lyrik: Vom Vizekönigreich bis in die Moderne

                                  

Der Beginn der lateinamerikanischen Literatur ist epischer Natur: Es sind die großen Eroberungsschilderungen von Columbus und Cortés, die erstmals Amerika in den Diskurs des Abendlandes einrücken. Die Lyrik, wie sie im Vizekönigreich von Mexiko unter der Feder von Sor Juana Inés de la Cruz einen ersten, nachgerade unerhörten Höhepunkt erreicht, geht hier den umgekehrten Weg: Nicht Amerika wird erschrieben, sondern die Dichtungskonventionen der Alten Welt werden importiert. Die damit verbundene Problematik, welche denn die Amerika angemessene lyrische Sprache sei, wird freilich erst nach der Independencia virulent, da nun ja auch die spanische Tradition nicht mehr zuhanden ist. Während sich die europäische Romantik also auf das eigene kulturelle Legat – etwa die mittelalterliche Tradition – rückbesinnen kann, müssen die Dichter der Unabhängigkeit ihren Blick auf das Andere richten; denn eine Rückkehr zur autochthonen Tradition – der Kultur der indios – ist für die weißen Kreolen kein gangbarer Weg. So kommt es auch, daß die Lyrik von der Romantik bis zum modernismo in je unterschiedlicher Ausrichtung von Anleihen bei den ,fortschrittlichen‘ Engländern und Franzosen lebt. Es wäre aber dennoch falsch, diese Lyrik nur als Abklatsch zu werten. Ebenso wie sich Sor Juana den europäischen Petrarkismus auf originelle Weise aneignet, nutzen die Dichter der Romantik und des modernismo ihre Vorlagen zu einer Herausbildung spezifisch lateinamerikanischer Lyrik. Diese Lyrik ist nicht nur ihrem Wesen nach hybrid, sie ist sich dieser grundlegenden Hybridität auch bewußt – auch wenn sie, wie im Falle Echeverrías im Zeichen eines Homogenisierungsprojektes steht, in dem gerade die indios keinen Platz mehr haben werden. Der Aufwertung des Autochthonen werden sich erst die Avantgarden verschreiben. Im Zuge der mexikanischen Revolution und der in Frankreich begründeten Altamerikanistik rückt das indigene Legat zu einem prestigiösen Identitätsmerkmal Lateinamerikas auf, und so setzt die Lyrik des 20. Jahrhunderts – allen voran Octavio Paz – denn auch jenes ,wilde Denken‘, in sein Recht, das die kulturellen Eliten Lateinamerikas für vierhundert Jahre als ihr radikales Anderes betrachtet haben.

 

Di 12 - 14 Uhr, P 102

 

Wintersemester 2015/16 - Hauptseminar Spanisch

 

Die spanische Barocklyrik

                                

Einem französischen Lexikon des 18. Jahrhunderts zufolge ist Barock gleichbedeutend mit proportionsloser Willkür ungezügelter Künstler. Das ursprünglich auf den spanischen Barockdichter Luis de Góngora gemünzte Substantiv gongorisme bedeutet in diesem Zusammenhang schlichtweg Schwulst. Die spanische generación del 27 hat sich indes zum dreihundertsten Geburtstag Góngoras formiert und ihn als ihren Vorgänger, mithin zu einem Modernen erklärt. Franco mochte die Barocklyrik nicht, und man kann sagen: mit gutem Grund; denn diese dunkel anmutende Dichtung birgt unter ihrer wuchernden Oberfläche Geheimnisse, die einem auf Eindeutigkeit und Bekenntnis ausgelegtem totalitären Staat nicht gefallen können. Barocklyrik ist schräg, bisweilen auch queer. Sie steht nicht nur quer zu der petrarkistischen Matrix, aus der sie sich speist, sondern konfrontiert denjenigen, der sie zu lesen vermag, mit einer ungeheuren, kaum mehr einzuholenden Bedeutungsfülle. Eben dies, so darf man vermuten, macht sie modern. Gleichwohl ist die Barocklyrik das Ausdrucksmedium einer vormodernen Kultur und daher auch weniger ein ,freies Spiel des Signifikantenʻ in Sinne Derridas als vielmehr das Resultat einer gerade überregulierten, in den unterschiedlichen Gattungen streng kodifizierten und von einem effizienten Zensurapparat überwachten Rede. Es ist, um es in ökonomischen Termini zu sagen, eine Dichtung des Mehrwerts, des Mitzulesenden, des Unterdrückten und daher auch ein semiotisches Abenteuer, das einiges an hermeneutischem Gespür erfordert. In unserem Seminar wollen wir uns auf dieses Abenteuer einlassen und in genauen Textlektüren die Verfahren so unterschiedlicher Dichter wie Góngora, Quevedo, Villamediana, Aladana und Sor Juana de la Cruz nachvollziehen.

 

Do 12 - 14 Uhr, Raum P 103

 

Wintersemester 2015/16 - Hauptseminar Französisch

 

Hugo Friedrich und die Struktur der modernen Lyrik

                               

Vor knapp sechzig Jahren erschien erstmals Hugo Friedrichs Die Struktur der modernen Lyrik – ein zu seiner Zeit bahnbrechendes Buch, das wie vielleicht keine andere Abhandlung auf diesem Feld unser Verständnis von der Dichtung von Baudelaire bis in die Vorkriegszeit geprägt hat. Wir wollen in unserem Seminar diesen Klassiker wieder lesen und uns aus heutiger Perspektive die Textinterpretationen vornehmen. Dabei wird es nicht zuletzt auch darum gehen, Friedrichs Überlegungen mit neueren Strömungen – also dem Strukturalismus, der Dekonstruktion, der Postkolonialismusforschung – abzugleichen. Wir werden in diesem theorieinteressierten Seminar also nicht zuletzt nach der Halbwertszeit von Analysemodellen fragen, dabei jedoch die konkrete Textarbeit nicht aus dem Blick verlieren.

 

Mi 12 - 14 Uhr, P 109a

 

Wintersemester 2015/16 - Hauptseminar Kulturwissenschaften Spanisch

Isabel – Zum Verständnis einer (Kult-)Fernsehserie

 

Franco konnte sich für sie begeistern. Für viele ist die kastilische Königin Isabel I von Trastámara jedoch eher ein Reizthema. Zusammen mit ihrem Ehemann, dem König Ferdinand von Aragonien, hat sie die Grundlagen für den spanischen Flächenstaat geschaffen, durch ihre Unterstützung von Kolumbus ist Spanien in den Besitz eines Kolonialreiches bis dato undenkbaren Ausmaßes gelangt. Sie hat die Inquisition zu einem wesentlichen Apparat der spanischen Einigung gemacht, nach jahrlanger Kriegstätigkeit das letzte islamische Königreich auf der iberischen Halbinsel eingenommen und schließlich im Schicksalsjahr von 1492 die spanischen Juden ausweisen lassen bzw. zur Übernahme des Christentums gezwungen. Als 2012 erstmals die auf drei Staffeln angelegte Fernsehserie Isabel von TVE1 ausgestrahlt wurde, entfachte dies daher auch eine erwartbare Diskussion darüber, ob diese Serie denn nun rechts, antieuropäisch oder schlicht nostalgisch sei. Zugleich wurde Isabel aber die erfolgreichste Fernsehserie der letzten Jahrzehnte und schlug wöchentlich Millionen Spanier in ihren Bann. Wir wollen uns in diesem Seminar die Serie einmal genauer ansehen und nach den Grundlagen dieses bemerkenswerten Phänomens fragen. Wie kommt es, daß uns eine tiefreligiöse Frau auf der Schwelle zur Frühen Neuzeit heute noch faszinieren kann? Wie wird sie dargestellt, daß wir an ihren Entscheidungen interessiert teilhaben? Und was bedeutet es, wenn etwa zeitgleich eine Reihe von Fernsehserien – die Tudors, die Borgias – uns in jene Zeit zurückbefördern wollen, da jene europäischen Nationen ihren Anfang nahmen, die heute im gesamteuropäischen Homogenisierungsprozeß zusammenwachsen sollen?  

 

Mi 18 - 20 Uhr, P 203

 

Wintersemester 2015/16 - Ringvorlesung

Ringvorlesung Leopold / Scheiding: Ideologie der Form - Ideology of Form

 

Diese interdisziplinäre Ringvorlesung widmet sich der Frage, was literarische Gattungen (aber auch Theater, Oper, Film, TV-Serien oder Computerspiele) innerhalb ihres je spezifischen Kulturkontextes leisten können, mithin: was ihre je gegebene Historizität ausmacht. Wir haben uns dabei von Jamesons Konzept der "Ideology of Form" (in The Political Unconscious) leiten lassen, denn es interessiert uns, wie Gattungen, sofern sie gestärkte Kategorien sind, in formaler Hinsicht ideologische Konflikte schließen können, die sie semantisch nicht zu bewältigen vermögen.
Im Idealfall könnte sich so eine diachrone Gattungstheorie abzeichnen, die das Problem semantischer Ansätze, wie sie im Rahmen des Strukturalismus wiederholt versucht wurden, dahingehend überwindet, daß sie, statt Filiationsbäume zu konstruieren, konkrete historische agency sichtbar werden läßt.

 

Do 18 - 20 Uhr, Raum P 204

 

Wintersemester 2015/16 - M.A./ Graduiertenkolloquium

Vorstellung von Masterarbeiten und Dissertationen

 

1-std., verblockt, drei je fünfstündige Sitzungen. Beginn am 1. Samstag im Sommersemester (weitere Terminabsprachen erfolgen dort.)

 

Sa 11 - 16 Uhr, P 101


 

 

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