Sommersemester 2023 - Vorlesung

Leyendo el Quijote. Cervantes’ epochaler Meisterroman im kulturellen Kontext des frühneuzeitlichen Spanien

Neben der Bibel, der Vergilischen Aeneis und den Metamorphosen des Ovid gibt es wenige Texte, die auf die europäische Literatur einen so großen Einfluss gehabt haben, wie der in seinen zwei Teilen 1605 und 1615 erschienene Ingenioso hidalgo don Quijote de la Mancha. Die englische Tradition von Fielding bis Sterne ist ohne den Don Quijote ebenso wenig denkbar wie Flauberts Madame Bovary, Dostojewskis Idiot oder die großen Vertreter des spanischen Realismus. Nichtsdestoweniger ist sein Autor, Miguel de Cervantes Saavedra, ein Kind seiner Zeit: Als junger Mann hat er an der letzten großen Seeschlacht des Abendlandes – der Schlacht bei Lepanto – teilgenommen, ist in deren Folge von Piraten nach Algier verschleppt worden, wo er mehrere Jahre als Sklave lebte, bis er schließlich von seinen Angehörigen ausgelöst wurde. Wieder in Freiheit hat er wiederholt um einen Beamtenposten in der Neuen Welt angesucht, dies jedoch vergeblich. Und so mußte er sich in seinen späteren Jahren den Lebensunterhalt als Steuereintreiber in den spanischen Provinzen verdienen, was ihm profunde Kenntnisse der Lebenswelt, aber auch einen längeren Gefängnisaufenthalt einbrachte. Der Don Quijote ist die Summa dieses Lebens in und zwischen den Kulturen – und dabei nicht zuletzt ein Plädoyer für irreduzible kulturelle Vielschichtigkeit. Dies zeigt sich bereits an der Rahmenpragmatik des Romans, wenn dort das aufgefundene und dem Roman zugrundeliegende Manuskript einem, wie es heißt, ,lügnerischen‘, arabischen Autor, Cide Hamete Benengeli, zugeschrieben wurde und der Erzähler für die Erstellung seiner spanischen Fassung der Übersetzertätigkeit eines ebenso polyglotten, wie unzuverlässigen Mozarabers bedarf. Der solchermaßen inszenierte Streit um die Deutungshoheit der Welt hat auf der Ebene der Geschichte ihre Entsprechung in dem verrückten, sich einen fahrenden Ritter wähnenden Don Quijote, der die ihn umgebende Welt nach Maßgabe der spätmittelalterlichen Ritterromane interpretiert und dabei zu gleichermaßen komischen wie schwerwiegenden Fehleinschätzungen gelangt. Die Wirklichkeit, mit der Don Quijote nicht selten physisch zusammenstößt, obsiegt aber diesen Fehleinschätzungen nicht einfach, sondern wird gerade durch ihre Diskrepanz zu den wahnhaft-idealistischen Deutungen des Don Quijote ihrerseits befragt. In diesem Sinne ist der Don Quijote ein kritischer Roman: Er unterzieht die Lebenswelt der Zeit einer wahnsinnigen Gegenprobe, und wenn am Ende Don Quijote, vernünftig geworden, eben dieser Wirklichkeit im Tod zurückgegeben wird, ist das zwar ein christliches Ende, aber eben kein happy ending.

 

Sommersemester 2023 - Hauptseminar Französisch

Michel Houellebecq und die Vergänglichkeit der Welt

Houellebecqs Romane gehen oft über unsere Welt hinaus und entwerfen Utopien, von denen so mancher nicht sicher ist, ob sie überhaupt als solche gelten dürfen. Die beiden Romane, die wir in diesem Seminar lesen wollen, La carte et le territoire (2010) und La possibilité d´une île (2005), tun dies auf je unterschiedliche Weise: Während in ersterem vom Ende des industriellen Zeitalters die Rede ist, wird letzterer von einem genetisch veränderten und geklonten Menschen aus der fernen Zukunft erzählt. Gemeinsam ist beiden Texten eine Abrechnung mit der Gegenwart, wie wir sie kennen oder wiedererkennen, und die Frage, inwieweit Kunst oder (eine neu zu erfindende) Religion uns über die Unzulänglichkeiten unseres Daseins hinausführen können.

 

Sommersemester 2023 - Hauptseminar Spanisch

Die spanische Novellistik des Siglo de oro: Miguel de Cervantes und María de Zayas

Wenn Miguel de Cervantes im Vorwort zu seinen Novelas ejemplares behauptet, er sei der erste, der in Spanien Novellen verfasse, die nicht Übernahmen aus dem Italienischen seien, so nimmt er damit nicht nur ein hohes Maß an Originalität für sich in Anspruch, sondern weist seine Stoffe zugleich als genuin spanisch aus. Die Novellen spielen denn auch in der unmittelbaren Gegenwart: Es sind Texte über die soziale Realität eines Landes, das sich als krisenhaft erfährt. Die Figuren können daher auch selten auf vorgegebene Strukturen bauen: Sie werden in fremde Welten getragen, müssen sich verkleiden und gewinnen am Ende oftmals etwas, das sie nicht gesucht haben. Im Zentrum stehen Fragen nach der Ethnizität, der brüchig gewordenen Ständeordnung und immer wieder das, was man heute als Gender handelt. María de Zayas, die zwei Jahrzehnte später den ersten Band ihres Novellenzyklus vorlegt, folgt Cervantes in vielerlei Hinsicht: Oftmals sind ihre Novellen kunstvolle Aneignungen und Umakzentuierungen der Novelas ejemplares, vor allem aber sind sie so gut wie immer Geschichten von Frauen, wie man sie bis dato noch nicht gelesen hat: Frauen werden geschändet und ermordet, sie rächen sich eigenhändig oder sind mit allen Wassern gewaschen und spielen die Männer in eroticis aus. Zayas radikalisiert Cervantes, und wo dieser die ersten spanischen Novellen schreibt, wird Zayas zur ersten großen Schriftstellerin Spaniens. Dies hat man lange nicht sehen wollen; doch in den letzten Jahren mehren sich die Studien zu dieser schillernden Autorin, von deren Leben uns so gut wie nichts bekannt ist. Unser Seminar ist vergleichend angelegt. Ausgehend von einigen der Novelas ejemplares wollen wir Zayas’ Novellenwerk in Angriff nehmen, dessen Kühnheit uns auch heute noch gefangen nimmt.

 

Sommersemester 2023 - Hauptseminar Kulturwissenschaften Französisch / Spanisch

Freud, die Literatur und der Film

In diesem Semester wollen wir uns der fruchtbaren Wechselwirkung des Werks Sigmund Freuds mit der Literatur, dem Film und der Kulturtheorie widmen. Dabei werden wir, von der Traumdeutung (,Verdichtung‘, ,Verschiebung‘) ausgehend, zunächst die drei großen Fallstudien „,Der Fall Dora‘, ,Der Wolfsmann‘, ,Der Gerichtspräsident Schreber‘) lesen und diese mit literarischen Entsprechungen (etwa bei den Realisten und den Surrealisten) sowie theoretischen Fortschreibungen (Derrida, Jameson) in Beziehung setzen. In einem zweiten Block wenden wir uns Freuds kulturanthropologischen Schriften (Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten, Totem und Tabu, Das Unbehagen in der Kultur, Jenseits des Lustprinzips, „Fetischismus“, „Trauer und Melancholie“) zu, deren Einfluß auf die Literaturwissenschaft wie auch auf die künstlerische Praxis ungeheuer vielfältig ist. In einem letzten Blick wollen wir schließlich Freuds eigene Überlegungen zur Literatur in den Blick nehmen. Von besonderem Interesse wird neben den allgemeinen Bemerkungen in „Der Dichter und das Phantasieren“ und den Einzelanalysen literarischer Wunscherfüllungen dabei „Das Unheimliche“ sein, das insb. für die literarische Phantastik, aber auch für den Film von wesentlicher Bedeutung ist.

 

Sommersemester 2023 - M.A./ Graduiertenkolloquium

Vorstellung von Masterarbeiten und Dissertationen

1-std., verblockt, die Termine werden noch bekannt gegeben

 


 

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