Sommersemester 2022 - Vorlesung

Etappen lateinamerikanischer Lyrik: Vom Vizekönigreich bis in die Moderne

Der Beginn der lateinamerikanischen Literatur ist epischer Natur: Es sind die großen Eroberungsschilderungen von Columbus und Cortés, die erstmals Amerika in den Diskurs des Abendlandes einrücken. Die Lyrik, wie sie im Vizekönigreich von Mexiko unter der Feder von Sor Juana Inés de la Cruz einen ersten, nachgerade unerhörten Höhepunkt erreicht, geht hier den umgekehrten Weg: Nicht Amerika wird erschrieben, sondern die Dichtungskonventionen der Alten Welt werden importiert. Die damit verbundene Problematik, welche denn die Amerika angemessene lyrische Sprache sei, wird freilich erst nach der Independencia virulent, da nun ja auch die spanische Tradition nicht mehr zuhanden ist. Während sich die europäische Romantik also auf das eigene kulturelle Legat – etwa die mittelalterliche Tradition – rückbesinnen kann, müssen die Dichter der Unabhängigkeit ihren Blick auf das Andere richten; denn eine Rückkehr zur autochthonen Tradition – der Kultur der indios – ist für die weißen Kreolen kein gangbarer Weg. So kommt es auch, daß die Lyrik von der Romantik bis zum modernismo in je unterschiedlicher Ausrichtung von Anleihen bei den ,fortschrittlichen‘ Engländern und Franzosen lebt. Es wäre aber dennoch falsch, diese Lyrik nur als Abklatsch zu werten. Ebenso wie sich Sor Juana den europäischen Petrarkismus auf originelle Weise aneignet, nutzen die Dichter der Romantik und des modernismo ihre Vorlagen zu einer Herausbildung spezifisch lateinamerikanischer Lyrik. Diese Lyrik ist nicht nur ihrem Wesen nach hybrid, sie ist sich dieser grundlegenden Hybridität auch bewußt – auch wenn sie, wie im Falle Echeverrías im Zeichen eines Homogenisierungsprojektes steht, in dem gerade die indios keinen Platz mehr haben werden. Der Aufwertung des Autochthonen werden sich erst die Avantgarden verschreiben. Im Zuge der mexikanischen Revolution und der in Frankreich begründeten Altamerikanistik rückt das indigene Legat zu einem prestigiösen Identitätsmerkmal Lateinamerikas auf, und so setzt die Lyrik des 20. Jahrhunderts – allen voran Octavio Paz – denn auch jenes ,wilde Denken‘ in sein Recht, das die kulturellen Eliten Lateinamerikas für vierhundert Jahre als ihr radikales Anderes betrachtet haben.

 

Sommersemester 2022 - Hauptseminar Französisch

Ferien mit Marcel Proust: Von Combray nach Balbec

Die Belle Époque ist auch das Zeitalter der Ferien – zumindest für diejenigen, die es sich leisten konnten. Seebäder und Kurbäder sind Schauplätze einer ganz neuen Form von Gesellschaftlichkeit, in der sich soziale Gruppen begegnen konnten, die in der Alltagswelt oft durch ganze Stadtviertel getrennt sind. Marcel Proust ist der Chronist dieser Welt. Er erfindet den Seeort Balbec, der mal in der Normandie, mal in der Bretagne liegt, und hier beginnt für den Protagonisten die große Liebe. Marcel, so sein Name, gehört jener Klasse an, in der man nicht arbeiten muß, indes ganze Sommer an der Küste verbringt. Über dergleichen Muße verfügte er schon in seiner Kindheit, die er – so scheint es – in einem unausgesetzten Urlaub auf dem Land verbrachte. Was nun auf den ersten Blick sämtlich durchaus idyllisch anmutet, ist es auf den zweiten Blick mitnichten, denn unter einer Oberfläche heiterer Beschaulichkeit gärt eine Zeit der Nation, die unaufhaltsam fortschreiten und ganz am Ende des Romanzyklus in der apokalyptischen Weltkriegsnacht enden wird.
            Anlässlich von Prousts 100. Todestag wollen wir in diesem Seminar die ersten beiden Bände von À la recherche du temps perdu zusammen lesen und uns dabei insbesondere auf die Aufenthalte in Combray und Balbec konzentieren. Teilnahmebedingungen sind: Textkenntnis, aktive Mitarbeit sowie die Übernahme eines Thesenpapiers, das dann jeweils als Grundlage für die Diskussion im Plenum dienen wird. Dieses Thesenpapier – das je nach Größe des Kurses auch von einer Gruppe erstellt werden kann – ist keine zusätzliche Studienleistung im Sinne eines Referats, sondern Teil des Formats Seminar und somit von allen Teilnehmern zu erbringen.

 

 Sommersemester 2022 - Hauptseminar Spanisch

Chronotopien des Abenteuers: Die Novelas ejemplares von Cervantes

Die Cervantinischen Novelas ejemplares (1613) sind abenteuerliche Geschichten, deren Protagonisten allerhand Wunderliches erleben: So gehen etwa junge Adelige auf Thunfischfang, verkleiden sich aus Liebe als Zigeuner oder freien Schankmädchen von zweifelhaftem Ruf. Mädchen werden eingesperrt oder von Piraten entführt und wenn es sie nach England und Konstantinopel verschlägt, gibt es immer auch einen wackeren galán, der ihnen hinterher reist. Formal sind diese turbulenten Novellen zumeist dem romanesken Erzählschema verpflichtet und vollziehen sich daher auch in jener  räumlich-zeitlichen Figur, die Michail Bachtin als ,Chronotopos‘ des Wegs bezeichnet hat. Zusammen genommen stellen sie einen eindrucksvollen Parcours dar, vermittels dessen Cervantes das riesige Reich der Habsburger von der Neuen Welt bis nach Sizilien durchmißt und der schließlich im Hospital de la resurrección von Valladolid endet, wo sich zwei sprechende Hunde als die eigentlichen Helden der Erzählungen entpuppen.
            Weit mehr vielleicht als der Don Quijote, dessen zweiter Teil im Folgejahr erscheint, sind die Novelas ejemplares exemplarische Geschichten über das Spanien des frühen 17. Jahrhunderts – und das nicht zuletzt auch aufgrund ihrer geradezu hartnäckigen Uneindeutigkeit. Sie heute zu lesen, stellt daher auch ein (semiotisches) Abenteuer dar, daß denjenigen der Protagonisten nicht unähnlich ist. Wer diesen Weg beschreitet, wird reicher zurückkehren als er ausgefahren ist – ob klüger wird sich weisen.

 

Sommersemester 2022 - Hauptseminar Kulturwissenschaften Französisch / Spanisch

Herrscherbilder

Wie Peter Burke anlässlich Ludwigs XIV. von Frankreich festgestellt hat: Herrscher werden hergestellt und das mit einer ganzen Reihe symbolischer Praktiken. So wussten bereits die römischen Cäsaren wie wichtig es war, ihr Konterfei auf Münzen zu prägen, um auf diese Weise gleichsam allgegenwärtig zu sein. Skulpturen und Gemälde tun ein Übriges: ja im Falle von Ludwig XIV diente das lebensgroße Gemälde von Hyacinthe Rigaud in der Abwesenheit des Königs sogar als dessen Stellvertreter.
            In unserem Seminar wollen wir uns Herrscherdarstellungen in Spanien und Frankreich vom Beginn der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart ansehen und dabei den Versuch unternehmen eine Grammatik zu erstellen. Was braucht man zur semiotischen Herstellung eines Herrschers oder einer Herrscherin? Welche Rolle spielen dabei Pferde, Perücken, Kleider oder Gesten? Die Ihnen vielleicht bekannte Raute unserer ehemaligen Kanzlerin wird sich hier vielleicht als das Legat früherer Handhaltungen erweisen, die möglicherweise bis zur Segnungshand des Christos Pantocrator zurückführt. Vieles von dem jedenfalls, wodurch man visuell zum Herrscher wird, hat eine lange Tradition und diese wollen wir in Augenschein nehmen. Gemälde interessieren uns dabei ebenso wie Skulpturen oder Theaterstücke, in denen Herrscher auftreten.

 

Sommersemester 2022 - M.A./ Graduiertenkolloquium

Vorstellung von Masterarbeiten und Dissertationen

1-std., verblockt, die Termine werden noch bekannt gegeben

 


 

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